2. Sicherheit des Glaubens?

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Funktion der Kirche in einem postsozialistischen Kontext. Wie es schon angesprochen wurde, gibt es unter den kirchlichen Amtsträgern auch viele, die der neu erworbenen Freiheit sowie dem Einfluss von Westen die Schuld für die gesellschaftlichen Missstände sowie für die Unsicherheit im Glauben zuschreiben. 

Die Art und Weise, wie einzelne Christen die gesellschaftliche und politische Situation ihres Landes beurteilen, hängt von dem Maß ihrer Traditionsnähe bzw. -ferne ab. Die Christen, die ihren Glauben und ihre Lebenspraxis (nur) von ihrer (familiären) Tradition ableiten, gehören üblicherweise zu denen, für die Sicherheit einen zentralen Wert darstellt. Diese Menschen werden von Ronald Inglehart als „Materialisten“ bezeichnet. Ihre konservativen oder sogar nationalistischen politischen Haltungen sind dann Folge ihrer Sicherheitsorientierung.


Dadurch könnte man die Affinität der konservativen kirchlichen Kreise zu rechtsradikalen und/oder nationalistischen Politikern – nicht nur in Tschechien – erklären.Der zweite Typus von Menschen – nach ihrem Verhältnis zu materialen und politischen Sicherheiten – wird von Inglehart „Postmaterialisten“ genannt. Die „Postmaterialisten“ orientieren sich nämlich an Werten wie Einmischungsvermögen, Selbstverwirklichung oder auch die Sinnsuche. Sie haben üblicherweise nur geringe materielle Sorgen und zugleich sind sie (schon) fähig mit dem postmodernen Gefühl der Unsicherheit besser umzugehen als die „Materialisten“. Doch die Anzahl der Inglehartschen „Postmaterialisten“ dürfte unter den Christen von Europa viel geringer sein als die der „Materialisten“.[1]

[1] Vgl. INGLEHART, Ronald, Kultureller Umbruch. Wertwandel in der westlichen Welt, Frankfurt/New York: Campus, 1995, 169-186.

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