Theresia Heimerl – « Wesentlich andere Männer? »

Theresia Heimerl « Wesentlich andere Männer? Klerikale Männlichkeiten »

1. Einleitung

‘Ein Priester ist kein Mann. Er ist etwas weniger … oder etwas mehr. Je nachdem.’[1] Diese Feststellung trifft Cat, die jugendliche Revolutionärin und Nichte des bekannten Dorfpfarrers in Giovanni Guarescis letztem Roman der Don Camillo-Reihe aus dem Jahr 1969. Die Werke des italienischen Autors spiegeln idealtypisch das Bild des klerikalen Mannes und konservieren es auch durch ihre Verfilmungen just an jenem letzten Punkt der Geschichte, als es gerade noch seine Gültigkeit hatte. 

Fast 50 Jahre später ist klerikale Männlichkeit nur mehr als stilisierte Kunstfigur wirklich authentisch. Wie in einem Videoclip lässt der italienischen Regisseur Paolo Sorrentino in der TV-Serie The Young Pope seinen Pius XIII. zum Song ‘I’m sexy and I know it’ im Zeitraffer seine Brokatschuhe und seine Festkleidung auswählen, Sonnenbrille und Tiara aufsetzen und noch rasch eine Zigarette rauchen, bevor er auf der Sedia in die Sixtina getragen wird.[2]

Der katholische Priester als Sonderform von Männlichkeit ist in das kulturelle Gedächtnis der westlichen Welt so sehr eingeschrieben, dass seine Figur bis heute in massenmedialen Produkten bis hin zu Werbespots eingesetzt wird.[3] Der dunkle Schatten des treusorgenden, selbstlosen, scharfsinnigen – und heterosexuell attraktiven – Klerikers aus Film und TV ist der pädophile, geldgierige, korrupte, dumme Priester; auch er stellt im Figurenrepertoire der medialen Maskulinitäten eine Sonderform dar. Die fiktionalen Kleriker spiegeln in fokussierter Form den realen Sonderstatus, den Kleriker – im Positiven wie im Negativen – in den Diskursen der westlichen Welt nach wie vor einnehmen. 

Der vorliegende Beitrag will der Entwicklung dieser Sonderform von Männlichkeit nachgehen und ihre Bedeutung und Problematik für die Deutungen von Männlichkeit generell aufzeigen. Einen ersten Teil nimmt die historische Entstehung und Ausgestaltung des Klerikers als alternative Maskulinität im Kontext der Entstehung und Entfaltung der Kirche ein. In einem zweiten Teil werden jene lehramtlichen Zuschreibungen, die den Kleriker und seine Männlichkeit bis heute definieren, analysiert und ihre Interdependenz mit kirchlichen Strukturen besprochen. Den Abschluss bilden einige Überlegungen zu klerikaler Männlichkeit in den gegenwärtigen Diskursen über Maskulinität und kirchliche Problemzonen.


[1] Giovanni Guareschi, Don Camillo und die Rothaarige, Frankfurt u.a.: Ullstein, 1969, S. 67 (italienischer Originaltitel: Don Camillo e le giovani d’oggi).

[2] The Young Pope (Idee: Paolo Sorrentino, HBO, IT/F/E, 2016), hier Episode 5.

[3] Vgl. den Sammelband von Theresia Heimerl und Lisa Kienzl (Hg.), Helden in Schwarz: Priester in Film und TV, Marburg: Schüren, 2014.

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