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Ottmar Edenhofer – « Der Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter »

Ottmar Edenhofer

« Der Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter »


Concilium 2018-5. Ökologie und Theologie der Natur
Concilium 2018-5. Ecology and Theology
Concilium 2018-5. Ecología y teología de la naturaleza
Concilium 2018-5. Écologie et théologie de la nature
Concilium 2018-5. Ecologia e teologia della natura
Concilium 2018-5.

Linda Hogan, João Vila-Chã, Agbonkhianmeghe Orobator

„Die Atmosphäre ist ein globales Gemeinschaftsgut der Menschheit“, heißt es lapidar in der päpstlichen Umweltenzyklika Laudato Si’. Diese Aussage enthält jedoch eine gewaltige politische Sprengkraft. Denn die rechtliche Anerkennung der Atmosphäre und des Klimas als globales Gemeinschaftsgut hat potentiell völkerrechtliche Konsequenzen: Im Falle seiner Gefährdung könnte daraus eine Schutzverpflichtung abgeleitet werden. Einige Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention befürchten offenbar genau dies. Jedenfalls haben sie es abgelehnt, das Klimaproblem im Fünften Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC als „Global Commons“-Problem anzuerkennen. In der entsprechenden Fußnote heißt es explizit, dass der Begriff als Charakterisierung des Klimaproblems keine Implikationen für völkerrechtliche Abkommen oder internationale Lastenteilung zum Klimaschutz habe.1 Der Papst hat mit Laudato Si’ dagegen den Mut, den Status der Atmosphäre als globales Gemeinschaftsgut in das kollektive Bewusstsein der Menschheit zu heben.

Das Revolutionäre daran ist die Forderung, die globalen Gemeinschafsgüter durch eine entsprechende Ordnungs- und Strukturpolitik zu schützen (Laudato si’ 174).2 Damit wird zum ersten Mal in der Geschichte der kirchlichen Soziallehre das Prinzip der universalen Widmung der Erdengüter auch auf die globalen Kohlendioxid-Senken Atmosphäre, Ozeane und Wälder angewandt. Um die Ärmsten zu schützen und den gefährlichen Klimawandel zu vermeiden, müssen diese Senken vor einer Übernutzung bewahrt werden.

Aus dem jüngsten Bericht des Weltklimarates lässt sich ableiten, dass die Einhaltung der Zwei-Grad-Obergrenze den verbleibenden weltweiten CO2-Ausstoß auf etwa 700 bis 800 Gigatonnen (Gt) begrenzt. Bei dem derzeitigen Emissionsniveau von etwa 40 Gt jährlich bleiben also noch höchstens 20 Jahre – dann ist das Budget aufgebraucht. Knapp werden die fossilen Brennstoffe bis dahin nicht, in den Vorkommen im Boden sind noch geschätzte 15.000 Gt CO2 gebunden. Der überwiegende Teil davon darf also nicht mehr verbrannt und das entstehende Kohlendioxid in der Atmosphäre abgelagert werden. Gegenüber einem „Weiter-so“-Szenario ohne globale Klimapolitik müssen zur Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels weltweit mindestens etwa 70 Prozent der Kohle, 30 Prozent des Gases und 30 Prozent des Öls im Boden bleiben.3 Wenn aber ein Großteil der fossilen Ressourcen im Boden bleiben muss, werden die Vermögen ihrer Besitzer entwertet.4 Manch einer mag das als einen Eingriff in nationalstaatliche und private Eigentumsrechte interpretieren.

Laudato Si‘ zufolge ist dieser Eingriff in die Eigentumsrechte der Besitzer von Kohle, Öl und Gas gerechtfertigt, wenn dadurch die Gefahren eines gefährlichen Klimawandels abgewendet werden.5 Darin zeigt sich der Beitrag der Enzyklika zur Weiterentwicklung der katholischen Eigentumslehre. Sie positioniert sich im Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter in einer für die kirchliche Sozialverkündigung bisher ungewohnten Eindeutigkeit. Die Soziallehre betont zwar, dass das Prinzip der „allgemeinen Bestimmung der Erdengüter“ dem Recht auf Privateigentum übergeordnet ist (LS 93).6 Laudato Si’ präzisiert dieses Prinzip aber insofern, als nun auch die Übernutzung der globalen Kohlenstoff-Senken als Rechtfertigung anerkannt wird, das Recht auf Privateigentum einzuschränken (LS 23-24 und insb. 93-95). Damit wird die gegenwärtige Nutzung der Atmosphäre nach dem Recht des Stärkeren grundsätzlich in Frage gestellt.

1. Die Notwendigkeit internationaler Kooperation

Die Frage, wie die Beschränkung des Zugangs zur Atmosphäre institutionell ausgestaltet werden könnte, lässt die Enzyklika offen. Sie weist jedoch zu Recht auf den ökonomischen Grundsatz hin, dass in Marktpreisen sämtliche soziale Kosten angemessen zum Ausdruck kommen müssen (LS 195). Gerade bei der Nutzung von Kohle, Öl und Gas werden diese Kosten nicht eingerechnet. Da es bislang keine Weltregierung gibt, die hier steuernd eingreifen könnte, scheinen zeitraubende internationale Verhandlungen zwischen souveränen Nationalstaaten die einzige Lösung zu sein.

In der Politik ist noch immer die Hoffnung verbreitet, dass man sich die Verhandlungen dank des technischen Fortschritts bei den erneuerbaren Energien sparen könne. Durch den Fortschritt würden deren Kosten so weit sinken, dass es sich für niemanden mehr lohnt, Kohle aus dem Boden zu holen. In der Tat sind die Stromgestehungskosten von Windkraft unter optimalen Bedingungen schon heute niedriger als die von Kohle. Bei der Solarenergie sieht es ähnlich aus. Neue Entwicklungen bei den Speichertechnologien und der Ausbau integrierter Stromnetze werden künftig sogar die Fluktuationen bei Wind und Sonne auffangen. Dennoch: Den technischen Fortschritt für den alleinigen Heilsbringer des Weltklimas zu halten, ist gefährlich.

Die Kostensenkungen bei den CO2-freien Technologien führen zwar zu einer sinkenden Nachfrage nach fossilen Energieträgern. Allerdings fallen infolge des Nachfragerückgangs auch die Preise für Kohle, Öl und Gas. Dadurch wird insgesamt wieder mehr fossile Energie verbraucht. Das gilt insbesondere in Ländern, in denen es keine stringenten Klimaziele gibt. Der technische Fortschritt bei den Erneuerbaren bedingt also nicht eins-zu-eins den Rückgang fossiler Energien. Die Förderung CO2-freier Technologien wird alleine nicht zum Ziel führen.

Die Lösung des Dilemmas liegt darin, den schädlichen Emissionen einen Preis zu geben. Das bedeutet, dass die Verursacher der Treibhausgase dafür zahlen müssen, wenn sie ihre Emissionen in der Atmosphäre ablagern. Ein CO2-Preis begünstigt nicht nur die Erneuerbaren, er verteuert zugleich die Nutzung der fossilen Energieträger. Dadurch verschwindet der Anreiz, vermehrt Kohle, Öl und Gas zu nutzen. Wenn die Emissionen also nachhaltig sinken sollen, muss die Politik den Preis für CO2 erhöhen. Dies würde auch dazu beitragen, die globale Wirtschaftsordnung gerechter zu gestalten, wie es Laudato Si’ fordert. Für den Papst ist eine Wirtschaftsordnung nur dann ethisch gerecht, wenn alle Kosten von ihren Verursachern getragen und nicht auf Dritte abgewälzt werden (LS 195).

Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, sind CO2-Preise notwendig, die im Laufe der Zeit ansteigen. Die Weltbank hat das entsprechende Preisniveau berechnet: Bis 2020 müssten die Preise pro Tonne CO2 zwischen 40 und 80 US-Dollar liegen. Im Jahr 2030 sollten sie ein Niveau zwischen 50 und 100 US-Dollar erreicht haben.7

Doch bislang wird die Nutzung fossiler Energieträger gefördert statt bestraft. Legt man die durch Umwelt- und Gesundheitsschäden entstandenen Kosten zugrunde, wird die Tonne CO2 im weltweiten Schnitt mit 150 US-Dollar pro Jahr subventioniert. Die Herausforderung der nächsten Jahre ist, dass aus negativen CO2-Preisen (Subventionen) positive Preise werden.8

2. Wie Kooperation gelingen kann

Der Ruf nach CO2-Preisen ist sicherlich leicht – die politische Umsetzung dagegen schwierig. Dabei gibt es nicht nur innenpolitische Hindernisse wie zum Beispiel steigende Strompreise. Die global vernetzten Märkte verlangen, dass bei der Klimapolitik alle Staaten, oder zumindest ein Großteil, an einem Strang ziehen. Wenn nur ein einzelner Staat CO2-Preise einführt, verliert er an Wettbewerbsfähigkeit. Die Auswirkungen sind dabei umso größer, je stärker seine Güter-, Kapital- und Arbeitsmärkte in die Weltwirtschaft integriert sind. Darum ist internationale Kooperation zwingend notwendig.

Das Abkommen von Paris ist in dieser Hinsicht ein Fortschritt. Es beruht jedoch auf freiwilligen Selbstverpflichtungen. Stellen die Länder fest, dass ihre eigenen Anstrengungen nicht durch entsprechende Maßnahmen in anderen Ländern erwidert werden, ist die Glaubwürdigkeit und damit die Kooperation dahin. Kein Staat wird seine Verpflichtungen dann einhalten. 9

Ein möglicher Weg zu erfolgreicher Kooperation wäre die Verpflichtung einzelner Länder, einen CO2-Preis auf nationaler Ebene einzuführen. Das müsste jedoch an die Bedingung geknüpft sein, dass andere Staaten ihnen darin folgen und ebenfalls entsprechend hohe Preise einführen. Mit dieser Strategie könnten Befürchtungen über Wettbewerbsnachteile durch CO2-Bepreisung entkräftet werden. Sollten einige Staaten aus dem Abkommen aussteigen, würden sie dadurch bestraft, dass andere Länder ebenfalls ihre Anstrengungen zu Emissionsminderungen senken. Das führt langfristig zu erhöhten Klimaschäden und damit zu höheren Kosten.

Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass viele Staaten und Regionen bereits eine CO2-Steuer oder einen Emissionshandel eingeführt haben.10 Knapp 15 Prozent der Emissionen weltweit unterliegen der Regulierung durch CO2-Preise. In den meisten Emissionshandelssystemen, etwa im europäischen Emissionshandel (EU ETS), sind sie allerdings viel zu niedrig. Es gibt aber auch positive Ausnahmen wie Schweden und die kanadische Provinz British Columbia, die eine CO2-Steuer von umgerechnet etwa 120 Euro bzw. 30 US-Dollar pro Tonne eingeführt haben.

3. Gerechtigkeit und Klimafinanzierung

Die Leistungsfähigkeit der Länder ist ungleich verteilt. Zu einer weltweiten Koordination und Anhebung der CO2-Preise wird es daher nur kommen, wenn es einen Lastenausgleich zwischen Arm und Reich gibt. Transferleistungen an ärmere Länder sollten allerdings mit der Bedingung verknüpft sein, dass diese einen Mindestpreis für Emissionen akzeptieren.11 Ein Stützpfeiler der Klimafinanzierung könnte der Green Climate Fund (GCF) sein. Länder mit relativ hohen Kosten der Emissionsvermeidung würden aus dessen Mitteln kompensiert werden. So hätten auch sie einen Anreiz, eine ambitionierte Klimapolitik zu betreiben. Die Länder, die die Gelder bereitstellen, profitieren ebenso, weil die ärmeren Staaten zum globalen Klimaschutz beitragen und damit die Kosten des Klimaschutzes senken.

Die meisten Staaten sind zwar bisher äußerst zurückhaltend bei der Einführung von CO2-Preisen. Die Weltbank sowie einige private Banken, institutionelle Investoren und Unternehmen verwenden dagegen bereits einen internen CO2-Preis. In ihrer Rolle als institutionelle Investoren könnten die Kirchen noch überzeugender die ethische Bedeutung der CO2-Bepreisung betonen. Pensionsfonds, ethische Investmentfonds, Entwicklungsbanken und die großen Rückversicherungsgesellschaften fordern die Einführung von Emissionshandelssystemen oder CO2-Steuern bereits immer lauter. Bisher ist die Stimme der Finanzmarktakteure nur für Experten wahrnehmbar; in den Finanzministerien wird sie gehört und sehr wohl verstanden. Es ist aber notwendig, dass auch die breite Öffentlichkeit die Forderung nach klimagerechten Preisen versteht und deren Einführung von den Politikern einfordert.

4. Steigende Hürden durch billige fossile Brennstoffe

Das Grundproblem der internationalen Klimapolitik ist das Überangebot an fossilen Energieträgern. Die Preise für Kohle, Öl und Gas verharren deshalb auf niedrigem Niveau und werden für absehbare Zeit dort bleiben. Für Schwellen- und Entwicklungsländer ist die Nutzung der vermeintlich billigen Kohle damit besonders attraktiv. So beträgt der Anteil der Kohle an der Primärenergie in China etwa 70 Prozent. Zwar hat sich der Zubau neuer Kohlekraftwerke in China zuletzt verlangsamt, dafür wollen andere Länder den Kohleausbau jedoch sogar noch beschleunigen. Indien hat beispielsweise angekündigt, die Nutzung seiner heimischen Kohle bis zum Jahr 2019 im Vergleich zu 2013 zu verdoppeln.

Auch Länder wie die Türkei, Indonesien Vietnam, Südafrika, Korea, Japan oder Bangladesch planen  neue Kohlekraftwerke. Weltweit befinden sich fast 1400 neue Kohlekraftwerke im Bau oder in Planung. Rechnet man die bereits im Betrieb befindlichen Kraftwerke hinzu und legt die Emissionen während einer durchschnittlichen Kraftwerks-Lebensdauer von 40 Jahren zugrunde, so belastet allein die Kohle die Atmosphäre bereits mit etwa 330 Gigatonnen CO2. Damit verbraucht sie schon fast die Hälfte des CO2-Budgets für die Temperaturobergrenze von zwei Grad Celsius.12

Daneben gewinnen andere, sogenannte nicht-konventionelle Vorkommen zunehmend an Bedeutung. Die Erschließung von Teersand-Lagerstätten hat Kanada zu einem wichtigen Exporteur von Öl werden lassen. Das Fracking-Verfahren – dabei wird Öl mit hohem Druck unter Zuhilfenahme spezieller Chemikalien aus dem Gestein gepresst – führte auch zu einem rapiden Anstieg der Ölförderung in den USA, der die Importabhängigkeit des Landes stark verringerte und zum Verfall des Weltmarktpreises für Öl beitrug. Durch den niedrigen Ölpreis verlieren Elektro- und Wasserstoffautos gegenüber Benzin- und Dieselmotoren ebenso an Wettbewerbsfähigkeit wie synthetische Kraftstoffe gegenüber Mineralöl.

Durch das Fracking ist aber nicht nur das Angebot von Öl, sondern auch das von Gas erhöht. In den USA wurde die Stromversorgung daher verstärkt auf Erdgas umgestellt. Weil der Gaspreis dort unter dem Preis von Kohle liegt, werden die Vereinigten Staaten vermutlich auch unter Präsident Donald Trump zunehmend aus der heimischen Kohleverstromung aussteigen – dadurch werden die heimischen Emissionen sinken. In globalem Maßstab werden sie trotz des vermehrten Gasangebotes jedoch weiter steigen, weil die USA nun vermehrt Kohle exportieren und der Gaspreis außerhalb der Vereinigten Staaten über dem Kohlepreis liegt.

Im Gegensatz zum „Club of Rome“, der 1972 das baldige Ende der fossilen Vorkommen prognostizierte, wissen wir es heute besser: Nicht die Knappheit von Kohle, Öl und Gas wird das 21. Jahrhundert prägen, sondern die begrenzte Kohlenstoff-Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre. Die politischen Entscheider können nicht mehr hoffen, dass der Handlungsdruck von den Märkten kommt. Sie müssen durch internationale Regeln und Vereinbarungen dafür sorgen, dass die fossilen Ressourcen im Boden bleiben und die Atmosphäre als das Gemeinschaftsgut der gesamten Menschheit geschützt wird. Laudato Si‘ sieht die Lösung der globalen Krise im Zusammenspiel von internationaler Kooperation, nationalstaatlicher Politik, kommunalem Engagement und der Kraft einer entstehenden bunten Zivilgesellschaft.

Die Enzyklika fordert die Schaffung einer „politischen Weltautorität“ (LS 175). Damit ist jedoch keine Weltregierung gemeint, sondern die Notwendigkeit internationaler Kooperation und Koordination von Nationalstaaten, um die Globalisierung zu gestalten, statt ihr ausgeliefert zu sein. Laudato si’ sieht die Bewegungen der Zivilgesellschaft als Hebel, um nationalstaatliche Politik unter Druck zu setzen. Es geht dem Papst dabei nicht nur um politischen Protest. Er betont, dass mündige Konsumenten und Investoren durch Boykott und Widerspruch auch auf Märkten Druck ausüben können und sollen (LS 206). Tugendethik und Gesellschaftsreform schließen einander nicht aus, sie bedingen einander. Der durch die Technik ermöglichte Machtzuwachs in der Moderne bedarf eines geschärften individuellen Gewissens und neuer Formen institutioneller Verantwortung.

5. Klimapolitik als Option für die Armen

Eine ambitionierte Klimapolitik wird vor allem den kommenden Generationen zugutekommen und damit auch den Menschen, die künftig in der südlichen Hemisphäre leben. Politiker stehen jedoch nicht nur in der Pflicht, kommenden Generationen ein gutes Leben zu ermöglichen, sondern müssen auch die Probleme von heute lösen, etwa den Kampf gegen Armut vorantreiben. Kann der Zielkonflikt zwischen langfristiger Zukunftsverantwortung und den drängenden Herausforderungen der Gegenwart entschärft werden?

In der Tat besteht zwischen Klimapolitik auf der einen Seite und Armutsbekämpfung auf der anderen nicht notwendigerweise ein Konflikt – im Gegenteil: Eine kluge Klimapolitik kann dabei helfen, heutige Probleme zu lösen. So könnten die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung dazu verwendet werden, gerade den Ärmsten einen Zugang zu grundlegenden Gütern zu ermöglichen. Eine solche CO2-Steuerreform kann von nationalen Regierungen durchgeführt werden, wenn sie sich international koordinieren.13

In vielen Ländern hat ein Großteil der Menschen noch immer keinen Zugang zu lebensnotwendiger Infrastruktur wie sauberem Wasser, Sanitärversorgung oder Elektrizität. Die Vereinten Nationen haben aus diesem Grund die Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) formuliert. Dazu gehören neben der Bekämpfung von Armut etwa die Schaffung von Grundlagen für eine ansteigende Volksgesundheit und der Zugang zu bezahlbarer, sauberer Energie. Schon durch die Abschaffung der direkten Subventionen für fossile Energien würde bereits in vielen Ländern so viel Geld frei, dass man damit dem Erreichen der SDGs ein gutes Stück näher kommen würde. So könnte bis 2030 in etwa 70 Ländern der universelle Zugang zu Wasser hergestellt werden, mehr als 60 Staaten könnten flächendeckende Sanitärversorgung sicherstellen und über 50 den Zugang zu Elektrizität.14

Mit entsprechenden CO2-Preisen – auf einem Niveau vereinbar mit dem Zwei-Grad-Ziel des Paris-Abkommens – könnten auch höhere Einnahmen erzielt werden. Mit diesem Geld könnte überall auf der Welt der Zugang zu Wasser, Sanitärversorgung oder Strom für alle Menschen gesichert werden. Allerdings würden gerade die Menschen in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara von einer CO2-Bepreisung kaum profitieren: Denn einerseits sind die Emissionen noch sehr gering, während andererseits der Ausbaubedarf bei der Infrastruktur besonders groß ist. Würden die Einnahmen aus CO2-Preisen aber international gerecht verteilt, würden auch diese Menschen davon profitieren.15 CO2-Bepreisung kann also zur Armutsbekämpfung eingesetzt werden und erfüllt damit eine zentrale Forderung des Papstes: Die gleichzeitige Bekämpfung von Klimawandel und Armut.

6. Das Anthropozän und die globalen Gemeinschaftsgüter

Wettbewerb und private Eigentumsrechte haben den Kapitalismus des 19. und 20. Jahrhunderts entfesselt und damit ein nie gekanntes Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum ermöglicht. Dieses Wachstum basierte auf einem „Lotteriegewinn“16: Der Entdeckung von Kohle, Öl und Gas und deren Nutzung durch innovative Unternehmen. Die ungehemmte Verbrennung der fossilen Energieträger untergräbt die Grundlagen unserer Zivilisation. Denn die Lagerstätten enthalten Kohlenstoff, den Pflanzen und Tiere der Atmosphäre über Jahrmillionen entzogen haben. Durch die Verfeuerung setzen wir diesen Kohlenstoff in nur wenigen Jahrzehnten in Form von CO2 wieder frei. Das lässt die globale Mitteltemperatur und die Klimaschäden in einem Ausmaß ansteigen, das für die bisherige Kulturgeschichte der Menschheit ohne historisches Vorbild ist. Zurecht haben die massiven Umweltveränderungen, die die Menschheit seit Beginn der Industriellen Revolution zu verantworten hat, in der Wissenschaft eine Diskussion über den Beginn eines neuen Erdzeitalters entfacht: Es wird als Anthropozän bezeichnet – die Epoche des Menschen in der Rolle einer geologischen Kraft, die die Funktionsweise des Erdsystems grundlegend verändert.

Die zivilisatorischen Errungenschaften werden im 21. Jahrhundert nur dann Bestand haben können, wenn die globalen Gemeinschaftsgüter wie Atmosphäre, Ozeane, Land und Wälder nicht mehr übernutzt werden. Dazu ist internationale Kooperation und Koordination notwendig. Es gehört zur Tragik des beginnenden 21. Jahrhunderts, dass das Überleben der Menschheit von einer gelingenden internationalen Kooperation abhängt. Dabei sind die multilateralen Institutionen gerade heute durch den wieder aufkeimenden Nationalismus nicht nur geschwächt, sondern existentiell bedroht.

Die Enzyklika Laudato Si‘ hat hier ein kraftvolles Zeichen gesetzt: Wie kaum ein Dokument der kirchlichen Sozialverkündigung hat sie die Bekämpfung der Armut, die Vermeidung gefährlichen Klimawandels und die Notwendigkeit von Kooperation nicht nur gefordert, sondern eine ungewöhnliche Resonanz auch außerhalb der katholischen Kirche ausgelöst. Damit ist sie zu einem Meilenstein der kirchlichen Soziallehre geworden, im besonderen Maße aber auch ein Fanal im Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter.

Abstract

Um die Atmosphäre vor einer Übernutzung zu schützen und so die globale Erwärmung zu begrenzen, bedarf es internationaler Kooperation. Grundlage dafür ist das Bewusstsein, dass es sich bei der Atmosphäre sowie Ozeanen und Wäldern als Kohlendioxid-Senken um globale Gemeinschaftsgüter handelt. Sie sollten daher als solche anerkannt werden – so fordert es auch der Papst in seiner Umweltenzyklika Laudato Si. Das wirksamste Instrument der Klimapolitik sind ausreichend hohe, auf internationaler Ebene abgestimmte CO2-Preise. Sie bewahren die Ärmsten nicht nur vor den Folgen des gefährlichen Klimawandels, sondern schaffen zugleich dringend benötigte Einnahmen für die Bekämpfung von Armut – etwa durch öffentliche Investitionen in die Infrastruktur.

Autor

Ottmar Edenhofer ist einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Ökonomie des Klimawandels. Er ist designierter Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sowie Gründungsdirektor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) und Professor an der Technischen Universität Berlin (TU Berlin). Von 2008 bis 2015 war er Ko-Vorsitzender der mit Klimaschutz befassten Arbeitsgruppe III des Weltklimarates IPCC.

Contactos

Potsdam Institute for Climate Impact, Telegraphenberg A 31

PO Box 60 12 03, D-14412 Potsdam



Notes

  1. Die Fußnote im Wortlaut: “In the social sciences this [das Klimaproblem] is referred to as a ‘global commons problem‘. As this expression is used in the social sciences, it has no specific implications for legal arrangements or for particular criteria regarding effort-sharing.” Siehe IPCC: Summary for Policymakers. In: Edenhofer, O. et al.: Climate Change 2014: Mitigation of Climate Change. Contribution of Working Group III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge/New York 2014, 5.
  2. Die englische Version der Enzyklika ist hier begrifflich präzise und spricht von „common good“; in der deutschen Übersetzung heißt es etwas vager „Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen für alle“ (LS, 23).
  3. Edenhofer, O., Flachsland, C., Jakob, M., Hilaire, J.: Den Klimawandel stoppen. Es gibt nicht zu wenig, sondern zu viel fossile Ressourcen – sie müssen in der Erde bleiben. In: Le Monde diplomatique: Atlas der Globalisierung – Weniger wird mehr. Berlin 2015, 90-93.
  4. Siehe Edenhofer, O., Jakob, M.: Klimapolitik. Ziele, Konflikte, Lösungen. München 2017, 44, 72f; Jakob, M., Edenhofer, O., Kornek, U., Lenzi, D., Minx, J. C.: Governing the Commons to Promote Global Justice – Climate Change Mitigation and Rent Taxation (in Vorbereitung).
  5. Siehe hierzu und zum folgenden Abschnitt über internationale Kooperation: Edenhofer, O., Flachsland, C., Lessmann, K.: Wem gehört die Atmosphäre? Nach dem Klimagipfel in Cancún. Stimmen der Zeit 2/2011, 75-88; sowie ausführlicher Edenhofer, O., Flachsland, C., Jakob, M., Lessmann, K.: The Atmosphere as a Global Commons – Challenges for International Cooperation and Governance. In: Semmler, W., Bernard, L. (Hg.): The Handbook on the Macroeconomics of Climate Change. Oxford 2015, 260-296.
  6. Die grundsätzliche Position der katholischen Soziallehre zu diesen Fragen findet sich formuliert in: Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden (Hg.): Kompendium der Soziallehre der Kirche. Freiburg/Basel/Wien 2006, 137-146, 325-347.
  7. Stiglitz, J. E. et al.: Report of the High-Level Commission on Carbon Prices, 2017.
  8. Edenhofer, O.: King Coal and the queen of subsidies. Science, 349(6254), 1286-1287 (2015).
  9. Edenhofer, O., Ockenfels, A.: Ausweg aus der Klima-Sackgasse. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.10.2015; Edenhofer, O., Ockenfels, A.: Climate Policy at an Impasse. In: Cramton, P., MacKay, D., Ockenfels, A., Stoft, S. (Hg.), Global Carbon Pricing. We Will if You Will. Cambridge 2017, 149-164.
  10. Edenhofer, O., Knopf, B., Bak, C., Bhattacharya, A.: Aligning climate policy with finance ministers’ G20 agenda. Nature Climate Change 7, Commentary, 463-465 (2017).
  11. Edenhofer, O., Flachsland, C., Kornek, C.: Koordinierte CO2-Preise: Ein Vorschlag zur Weiterentwicklung des Pariser Abkommens. In: Sommer, J., Müller, M. (Hg.): Unter 2 Grad? Stuttgart 2016, 69-78.
  12. Edenhofer, O., Steckel, J. C., Jakob, M., Bertram, C.: Reports of coal’s terminal decline may be exaggerated. Environmental Research Letters 13 (2018), No. 2, 024019.
  13. Zu den Herausforderungen und Möglichkeiten einer weltweiten CO2-Bepreisung siehe Jakob, M. et al. (Anm. 4); Edenhofer, O., Jakob, M., Creutzig, F., Flachsland, C., Fuss, S., Kowarsch, M., Lessmann, K., Mattauch, L., Siegmeier, J., Steckel, J.: Closing the emission price gap. Global Environmental Change 31, 132-143 (2015).
  14. Jakob, M., Chen, C., Fuss, S., Marxen, A., Edenhofer, O.: Development Incentives for Fossil Fuel Subsidy Reform. Nature Climate Change 5 (8), 709-712 (2015).
  15. Jakob, M., Chen, C., Fuss, S., Marxen, A., Rao, N. D., Edenhofer, O.: Carbon Pricing Revenues Could Close Infrastructure Access Gaps. World Development 84, 254-265 (2016).
  16. Sombart, W.: Der moderne Kapitalismus. Historisch-systematische Darstellung des gesamteuropäischen Wirtschaftslebens von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. Bd. III: Das Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochkapitalismus. Erster Halbband. München/Leipzig 1928.

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Concilium 2018-5. Ökologie und Theologie der Natur
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„Die Atmosphäre ist ein globales Gemeinschaftsgut der Menschheit“, heißt es lapidar in der päpstlichen Umweltenzyklika Laudato Si’. Diese Aussage enthält jedoch eine gewaltige politische Sprengkraft. Denn die rechtliche Anerkennung der Atmosphäre und des Klimas als globales Gemeinschaftsgut hat potentiell völkerrechtliche Konsequenzen: Im Falle seiner Gefährdung könnte daraus eine Schutzverpflichtung abgeleitet werden. Einige Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention befürchten offenbar genau dies. Jedenfalls haben sie es abgelehnt, das Klimaproblem im Fünften Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC als „Global Commons“-Problem anzuerkennen. In der entsprechenden Fußnote heißt es explizit, dass der Begriff als Charakterisierung des Klimaproblems keine Implikationen für völkerrechtliche Abkommen oder internationale Lastenteilung zum Klimaschutz habe.1 Der Papst hat mit Laudato Si’ dagegen den Mut, den Status der Atmosphäre als globales Gemeinschaftsgut in das kollektive Bewusstsein der Menschheit zu heben.

Das Revolutionäre daran ist die Forderung, die globalen Gemeinschafsgüter durch eine entsprechende Ordnungs- und Strukturpolitik zu schützen (Laudato si’ 174).2 Damit wird zum ersten Mal in der Geschichte der kirchlichen Soziallehre das Prinzip der universalen Widmung der Erdengüter auch auf die globalen Kohlendioxid-Senken Atmosphäre, Ozeane und Wälder angewandt. Um die Ärmsten zu schützen und den gefährlichen Klimawandel zu vermeiden, müssen diese Senken vor einer Übernutzung bewahrt werden.

Aus dem jüngsten Bericht des Weltklimarates lässt sich ableiten, dass die Einhaltung der Zwei-Grad-Obergrenze den verbleibenden weltweiten CO2-Ausstoß auf etwa 700 bis 800 Gigatonnen (Gt) begrenzt. Bei dem derzeitigen Emissionsniveau von etwa 40 Gt jährlich bleiben also noch höchstens 20 Jahre – dann ist das Budget aufgebraucht. Knapp werden die fossilen Brennstoffe bis dahin nicht, in den Vorkommen im Boden sind noch geschätzte 15.000 Gt CO2 gebunden. Der überwiegende Teil davon darf also nicht mehr verbrannt und das entstehende Kohlendioxid in der Atmosphäre abgelagert werden. Gegenüber einem „Weiter-so“-Szenario ohne globale Klimapolitik müssen zur Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels weltweit mindestens etwa 70 Prozent der Kohle, 30 Prozent des Gases und 30 Prozent des Öls im Boden bleiben.3 Wenn aber ein Großteil der fossilen Ressourcen im Boden bleiben muss, werden die Vermögen ihrer Besitzer entwertet.4 Manch einer mag das als einen Eingriff in nationalstaatliche und private Eigentumsrechte interpretieren.

Laudato Si‘ zufolge ist dieser Eingriff in die Eigentumsrechte der Besitzer von Kohle, Öl und Gas gerechtfertigt, wenn dadurch die Gefahren eines gefährlichen Klimawandels abgewendet werden.5 Darin zeigt sich der Beitrag der Enzyklika zur Weiterentwicklung der katholischen Eigentumslehre. Sie positioniert sich im Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter in einer für die kirchliche Sozialverkündigung bisher ungewohnten Eindeutigkeit. Die Soziallehre betont zwar, dass das Prinzip der „allgemeinen Bestimmung der Erdengüter“ dem Recht auf Privateigentum übergeordnet ist (LS 93).6 Laudato Si’ präzisiert dieses Prinzip aber insofern, als nun auch die Übernutzung der globalen Kohlenstoff-Senken als Rechtfertigung anerkannt wird, das Recht auf Privateigentum einzuschränken (LS 23-24 und insb. 93-95). Damit wird die gegenwärtige Nutzung der Atmosphäre nach dem Recht des Stärkeren grundsätzlich in Frage gestellt.

1. Die Notwendigkeit internationaler Kooperation

Die Frage, wie die Beschränkung des Zugangs zur Atmosphäre institutionell ausgestaltet werden könnte, lässt die Enzyklika offen. Sie weist jedoch zu Recht auf den ökonomischen Grundsatz hin, dass in Marktpreisen sämtliche soziale Kosten angemessen zum Ausdruck kommen müssen (LS 195). Gerade bei der Nutzung von Kohle, Öl und Gas werden diese Kosten nicht eingerechnet. Da es bislang keine Weltregierung gibt, die hier steuernd eingreifen könnte, scheinen zeitraubende internationale Verhandlungen zwischen souveränen Nationalstaaten die einzige Lösung zu sein.

In der Politik ist noch immer die Hoffnung verbreitet, dass man sich die Verhandlungen dank des technischen Fortschritts bei den erneuerbaren Energien sparen könne. Durch den Fortschritt würden deren Kosten so weit sinken, dass es sich für niemanden mehr lohnt, Kohle aus dem Boden zu holen. In der Tat sind die Stromgestehungskosten von Windkraft unter optimalen Bedingungen schon heute niedriger als die von Kohle. Bei der Solarenergie sieht es ähnlich aus. Neue Entwicklungen bei den Speichertechnologien und der Ausbau integrierter Stromnetze werden künftig sogar die Fluktuationen bei Wind und Sonne auffangen. Dennoch: Den technischen Fortschritt für den alleinigen Heilsbringer des Weltklimas zu halten, ist gefährlich.

Die Kostensenkungen bei den CO2-freien Technologien führen zwar zu einer sinkenden Nachfrage nach fossilen Energieträgern. Allerdings fallen infolge des Nachfragerückgangs auch die Preise für Kohle, Öl und Gas. Dadurch wird insgesamt wieder mehr fossile Energie verbraucht. Das gilt insbesondere in Ländern, in denen es keine stringenten Klimaziele gibt. Der technische Fortschritt bei den Erneuerbaren bedingt also nicht eins-zu-eins den Rückgang fossiler Energien. Die Förderung CO2-freier Technologien wird alleine nicht zum Ziel führen.

Die Lösung des Dilemmas liegt darin, den schädlichen Emissionen einen Preis zu geben. Das bedeutet, dass die Verursacher der Treibhausgase dafür zahlen müssen, wenn sie ihre Emissionen in der Atmosphäre ablagern. Ein CO2-Preis begünstigt nicht nur die Erneuerbaren, er verteuert zugleich die Nutzung der fossilen Energieträger. Dadurch verschwindet der Anreiz, vermehrt Kohle, Öl und Gas zu nutzen. Wenn die Emissionen also nachhaltig sinken sollen, muss die Politik den Preis für CO2 erhöhen. Dies würde auch dazu beitragen, die globale Wirtschaftsordnung gerechter zu gestalten, wie es Laudato Si’ fordert. Für den Papst ist eine Wirtschaftsordnung nur dann ethisch gerecht, wenn alle Kosten von ihren Verursachern getragen und nicht auf Dritte abgewälzt werden (LS 195).

Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, sind CO2-Preise notwendig, die im Laufe der Zeit ansteigen. Die Weltbank hat das entsprechende Preisniveau berechnet: Bis 2020 müssten die Preise pro Tonne CO2 zwischen 40 und 80 US-Dollar liegen. Im Jahr 2030 sollten sie ein Niveau zwischen 50 und 100 US-Dollar erreicht haben.7

Doch bislang wird die Nutzung fossiler Energieträger gefördert statt bestraft. Legt man die durch Umwelt- und Gesundheitsschäden entstandenen Kosten zugrunde, wird die Tonne CO2 im weltweiten Schnitt mit 150 US-Dollar pro Jahr subventioniert. Die Herausforderung der nächsten Jahre ist, dass aus negativen CO2-Preisen (Subventionen) positive Preise werden.8

2. Wie Kooperation gelingen kann

Der Ruf nach CO2-Preisen ist sicherlich leicht – die politische Umsetzung dagegen schwierig. Dabei gibt es nicht nur innenpolitische Hindernisse wie zum Beispiel steigende Strompreise. Die global vernetzten Märkte verlangen, dass bei der Klimapolitik alle Staaten, oder zumindest ein Großteil, an einem Strang ziehen. Wenn nur ein einzelner Staat CO2-Preise einführt, verliert er an Wettbewerbsfähigkeit. Die Auswirkungen sind dabei umso größer, je stärker seine Güter-, Kapital- und Arbeitsmärkte in die Weltwirtschaft integriert sind. Darum ist internationale Kooperation zwingend notwendig.

Das Abkommen von Paris ist in dieser Hinsicht ein Fortschritt. Es beruht jedoch auf freiwilligen Selbstverpflichtungen. Stellen die Länder fest, dass ihre eigenen Anstrengungen nicht durch entsprechende Maßnahmen in anderen Ländern erwidert werden, ist die Glaubwürdigkeit und damit die Kooperation dahin. Kein Staat wird seine Verpflichtungen dann einhalten. 9

Ein möglicher Weg zu erfolgreicher Kooperation wäre die Verpflichtung einzelner Länder, einen CO2-Preis auf nationaler Ebene einzuführen. Das müsste jedoch an die Bedingung geknüpft sein, dass andere Staaten ihnen darin folgen und ebenfalls entsprechend hohe Preise einführen. Mit dieser Strategie könnten Befürchtungen über Wettbewerbsnachteile durch CO2-Bepreisung entkräftet werden. Sollten einige Staaten aus dem Abkommen aussteigen, würden sie dadurch bestraft, dass andere Länder ebenfalls ihre Anstrengungen zu Emissionsminderungen senken. Das führt langfristig zu erhöhten Klimaschäden und damit zu höheren Kosten.

Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass viele Staaten und Regionen bereits eine CO2-Steuer oder einen Emissionshandel eingeführt haben.10 Knapp 15 Prozent der Emissionen weltweit unterliegen der Regulierung durch CO2-Preise. In den meisten Emissionshandelssystemen, etwa im europäischen Emissionshandel (EU ETS), sind sie allerdings viel zu niedrig. Es gibt aber auch positive Ausnahmen wie Schweden und die kanadische Provinz British Columbia, die eine CO2-Steuer von umgerechnet etwa 120 Euro bzw. 30 US-Dollar pro Tonne eingeführt haben.

3. Gerechtigkeit und Klimafinanzierung

Die Leistungsfähigkeit der Länder ist ungleich verteilt. Zu einer weltweiten Koordination und Anhebung der CO2-Preise wird es daher nur kommen, wenn es einen Lastenausgleich zwischen Arm und Reich gibt. Transferleistungen an ärmere Länder sollten allerdings mit der Bedingung verknüpft sein, dass diese einen Mindestpreis für Emissionen akzeptieren.11 Ein Stützpfeiler der Klimafinanzierung könnte der Green Climate Fund (GCF) sein. Länder mit relativ hohen Kosten der Emissionsvermeidung würden aus dessen Mitteln kompensiert werden. So hätten auch sie einen Anreiz, eine ambitionierte Klimapolitik zu betreiben. Die Länder, die die Gelder bereitstellen, profitieren ebenso, weil die ärmeren Staaten zum globalen Klimaschutz beitragen und damit die Kosten des Klimaschutzes senken.

Die meisten Staaten sind zwar bisher äußerst zurückhaltend bei der Einführung von CO2-Preisen. Die Weltbank sowie einige private Banken, institutionelle Investoren und Unternehmen verwenden dagegen bereits einen internen CO2-Preis. In ihrer Rolle als institutionelle Investoren könnten die Kirchen noch überzeugender die ethische Bedeutung der CO2-Bepreisung betonen. Pensionsfonds, ethische Investmentfonds, Entwicklungsbanken und die großen Rückversicherungsgesellschaften fordern die Einführung von Emissionshandelssystemen oder CO2-Steuern bereits immer lauter. Bisher ist die Stimme der Finanzmarktakteure nur für Experten wahrnehmbar; in den Finanzministerien wird sie gehört und sehr wohl verstanden. Es ist aber notwendig, dass auch die breite Öffentlichkeit die Forderung nach klimagerechten Preisen versteht und deren Einführung von den Politikern einfordert.

4. Steigende Hürden durch billige fossile Brennstoffe

Das Grundproblem der internationalen Klimapolitik ist das Überangebot an fossilen Energieträgern. Die Preise für Kohle, Öl und Gas verharren deshalb auf niedrigem Niveau und werden für absehbare Zeit dort bleiben. Für Schwellen- und Entwicklungsländer ist die Nutzung der vermeintlich billigen Kohle damit besonders attraktiv. So beträgt der Anteil der Kohle an der Primärenergie in China etwa 70 Prozent. Zwar hat sich der Zubau neuer Kohlekraftwerke in China zuletzt verlangsamt, dafür wollen andere Länder den Kohleausbau jedoch sogar noch beschleunigen. Indien hat beispielsweise angekündigt, die Nutzung seiner heimischen Kohle bis zum Jahr 2019 im Vergleich zu 2013 zu verdoppeln.

Auch Länder wie die Türkei, Indonesien Vietnam, Südafrika, Korea, Japan oder Bangladesch planen  neue Kohlekraftwerke. Weltweit befinden sich fast 1400 neue Kohlekraftwerke im Bau oder in Planung. Rechnet man die bereits im Betrieb befindlichen Kraftwerke hinzu und legt die Emissionen während einer durchschnittlichen Kraftwerks-Lebensdauer von 40 Jahren zugrunde, so belastet allein die Kohle die Atmosphäre bereits mit etwa 330 Gigatonnen CO2. Damit verbraucht sie schon fast die Hälfte des CO2-Budgets für die Temperaturobergrenze von zwei Grad Celsius.12

Daneben gewinnen andere, sogenannte nicht-konventionelle Vorkommen zunehmend an Bedeutung. Die Erschließung von Teersand-Lagerstätten hat Kanada zu einem wichtigen Exporteur von Öl werden lassen. Das Fracking-Verfahren – dabei wird Öl mit hohem Druck unter Zuhilfenahme spezieller Chemikalien aus dem Gestein gepresst – führte auch zu einem rapiden Anstieg der Ölförderung in den USA, der die Importabhängigkeit des Landes stark verringerte und zum Verfall des Weltmarktpreises für Öl beitrug. Durch den niedrigen Ölpreis verlieren Elektro- und Wasserstoffautos gegenüber Benzin- und Dieselmotoren ebenso an Wettbewerbsfähigkeit wie synthetische Kraftstoffe gegenüber Mineralöl.

Durch das Fracking ist aber nicht nur das Angebot von Öl, sondern auch das von Gas erhöht. In den USA wurde die Stromversorgung daher verstärkt auf Erdgas umgestellt. Weil der Gaspreis dort unter dem Preis von Kohle liegt, werden die Vereinigten Staaten vermutlich auch unter Präsident Donald Trump zunehmend aus der heimischen Kohleverstromung aussteigen – dadurch werden die heimischen Emissionen sinken. In globalem Maßstab werden sie trotz des vermehrten Gasangebotes jedoch weiter steigen, weil die USA nun vermehrt Kohle exportieren und der Gaspreis außerhalb der Vereinigten Staaten über dem Kohlepreis liegt.

Im Gegensatz zum „Club of Rome“, der 1972 das baldige Ende der fossilen Vorkommen prognostizierte, wissen wir es heute besser: Nicht die Knappheit von Kohle, Öl und Gas wird das 21. Jahrhundert prägen, sondern die begrenzte Kohlenstoff-Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre. Die politischen Entscheider können nicht mehr hoffen, dass der Handlungsdruck von den Märkten kommt. Sie müssen durch internationale Regeln und Vereinbarungen dafür sorgen, dass die fossilen Ressourcen im Boden bleiben und die Atmosphäre als das Gemeinschaftsgut der gesamten Menschheit geschützt wird. Laudato Si‘ sieht die Lösung der globalen Krise im Zusammenspiel von internationaler Kooperation, nationalstaatlicher Politik, kommunalem Engagement und der Kraft einer entstehenden bunten Zivilgesellschaft.

Die Enzyklika fordert die Schaffung einer „politischen Weltautorität“ (LS 175). Damit ist jedoch keine Weltregierung gemeint, sondern die Notwendigkeit internationaler Kooperation und Koordination von Nationalstaaten, um die Globalisierung zu gestalten, statt ihr ausgeliefert zu sein. Laudato si’ sieht die Bewegungen der Zivilgesellschaft als Hebel, um nationalstaatliche Politik unter Druck zu setzen. Es geht dem Papst dabei nicht nur um politischen Protest. Er betont, dass mündige Konsumenten und Investoren durch Boykott und Widerspruch auch auf Märkten Druck ausüben können und sollen (LS 206). Tugendethik und Gesellschaftsreform schließen einander nicht aus, sie bedingen einander. Der durch die Technik ermöglichte Machtzuwachs in der Moderne bedarf eines geschärften individuellen Gewissens und neuer Formen institutioneller Verantwortung.

5. Klimapolitik als Option für die Armen

Eine ambitionierte Klimapolitik wird vor allem den kommenden Generationen zugutekommen und damit auch den Menschen, die künftig in der südlichen Hemisphäre leben. Politiker stehen jedoch nicht nur in der Pflicht, kommenden Generationen ein gutes Leben zu ermöglichen, sondern müssen auch die Probleme von heute lösen, etwa den Kampf gegen Armut vorantreiben. Kann der Zielkonflikt zwischen langfristiger Zukunftsverantwortung und den drängenden Herausforderungen der Gegenwart entschärft werden?

In der Tat besteht zwischen Klimapolitik auf der einen Seite und Armutsbekämpfung auf der anderen nicht notwendigerweise ein Konflikt – im Gegenteil: Eine kluge Klimapolitik kann dabei helfen, heutige Probleme zu lösen. So könnten die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung dazu verwendet werden, gerade den Ärmsten einen Zugang zu grundlegenden Gütern zu ermöglichen. Eine solche CO2-Steuerreform kann von nationalen Regierungen durchgeführt werden, wenn sie sich international koordinieren.13

In vielen Ländern hat ein Großteil der Menschen noch immer keinen Zugang zu lebensnotwendiger Infrastruktur wie sauberem Wasser, Sanitärversorgung oder Elektrizität. Die Vereinten Nationen haben aus diesem Grund die Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) formuliert. Dazu gehören neben der Bekämpfung von Armut etwa die Schaffung von Grundlagen für eine ansteigende Volksgesundheit und der Zugang zu bezahlbarer, sauberer Energie. Schon durch die Abschaffung der direkten Subventionen für fossile Energien würde bereits in vielen Ländern so viel Geld frei, dass man damit dem Erreichen der SDGs ein gutes Stück näher kommen würde. So könnte bis 2030 in etwa 70 Ländern der universelle Zugang zu Wasser hergestellt werden, mehr als 60 Staaten könnten flächendeckende Sanitärversorgung sicherstellen und über 50 den Zugang zu Elektrizität.14

Mit entsprechenden CO2-Preisen – auf einem Niveau vereinbar mit dem Zwei-Grad-Ziel des Paris-Abkommens – könnten auch höhere Einnahmen erzielt werden. Mit diesem Geld könnte überall auf der Welt der Zugang zu Wasser, Sanitärversorgung oder Strom für alle Menschen gesichert werden. Allerdings würden gerade die Menschen in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara von einer CO2-Bepreisung kaum profitieren: Denn einerseits sind die Emissionen noch sehr gering, während andererseits der Ausbaubedarf bei der Infrastruktur besonders groß ist. Würden die Einnahmen aus CO2-Preisen aber international gerecht verteilt, würden auch diese Menschen davon profitieren.15 CO2-Bepreisung kann also zur Armutsbekämpfung eingesetzt werden und erfüllt damit eine zentrale Forderung des Papstes: Die gleichzeitige Bekämpfung von Klimawandel und Armut.

6. Das Anthropozän und die globalen Gemeinschaftsgüter

Wettbewerb und private Eigentumsrechte haben den Kapitalismus des 19. und 20. Jahrhunderts entfesselt und damit ein nie gekanntes Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum ermöglicht. Dieses Wachstum basierte auf einem „Lotteriegewinn“16: Der Entdeckung von Kohle, Öl und Gas und deren Nutzung durch innovative Unternehmen. Die ungehemmte Verbrennung der fossilen Energieträger untergräbt die Grundlagen unserer Zivilisation. Denn die Lagerstätten enthalten Kohlenstoff, den Pflanzen und Tiere der Atmosphäre über Jahrmillionen entzogen haben. Durch die Verfeuerung setzen wir diesen Kohlenstoff in nur wenigen Jahrzehnten in Form von CO2 wieder frei. Das lässt die globale Mitteltemperatur und die Klimaschäden in einem Ausmaß ansteigen, das für die bisherige Kulturgeschichte der Menschheit ohne historisches Vorbild ist. Zurecht haben die massiven Umweltveränderungen, die die Menschheit seit Beginn der Industriellen Revolution zu verantworten hat, in der Wissenschaft eine Diskussion über den Beginn eines neuen Erdzeitalters entfacht: Es wird als Anthropozän bezeichnet – die Epoche des Menschen in der Rolle einer geologischen Kraft, die die Funktionsweise des Erdsystems grundlegend verändert.

Die zivilisatorischen Errungenschaften werden im 21. Jahrhundert nur dann Bestand haben können, wenn die globalen Gemeinschaftsgüter wie Atmosphäre, Ozeane, Land und Wälder nicht mehr übernutzt werden. Dazu ist internationale Kooperation und Koordination notwendig. Es gehört zur Tragik des beginnenden 21. Jahrhunderts, dass das Überleben der Menschheit von einer gelingenden internationalen Kooperation abhängt. Dabei sind die multilateralen Institutionen gerade heute durch den wieder aufkeimenden Nationalismus nicht nur geschwächt, sondern existentiell bedroht.

Die Enzyklika Laudato Si‘ hat hier ein kraftvolles Zeichen gesetzt: Wie kaum ein Dokument der kirchlichen Sozialverkündigung hat sie die Bekämpfung der Armut, die Vermeidung gefährlichen Klimawandels und die Notwendigkeit von Kooperation nicht nur gefordert, sondern eine ungewöhnliche Resonanz auch außerhalb der katholischen Kirche ausgelöst. Damit ist sie zu einem Meilenstein der kirchlichen Soziallehre geworden, im besonderen Maße aber auch ein Fanal im Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter.

Abstract

Um die Atmosphäre vor einer Übernutzung zu schützen und so die globale Erwärmung zu begrenzen, bedarf es internationaler Kooperation. Grundlage dafür ist das Bewusstsein, dass es sich bei der Atmosphäre sowie Ozeanen und Wäldern als Kohlendioxid-Senken um globale Gemeinschaftsgüter handelt. Sie sollten daher als solche anerkannt werden – so fordert es auch der Papst in seiner Umweltenzyklika Laudato Si. Das wirksamste Instrument der Klimapolitik sind ausreichend hohe, auf internationaler Ebene abgestimmte CO2-Preise. Sie bewahren die Ärmsten nicht nur vor den Folgen des gefährlichen Klimawandels, sondern schaffen zugleich dringend benötigte Einnahmen für die Bekämpfung von Armut – etwa durch öffentliche Investitionen in die Infrastruktur.

Author

Ottmar Edenhofer ist einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Ökonomie des Klimawandels. Er ist designierter Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sowie Gründungsdirektor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) und Professor an der Technischen Universität Berlin (TU Berlin). Von 2008 bis 2015 war er Ko-Vorsitzender der mit Klimaschutz befassten Arbeitsgruppe III des Weltklimarates IPCC.

Contact

Potsdam Institute for Climate Impact, Telegraphenberg A 31

PO Box 60 12 03, D-14412 Potsdam



Notes

  1. Die Fußnote im Wortlaut: “In the social sciences this [das Klimaproblem] is referred to as a ‘global commons problem‘. As this expression is used in the social sciences, it has no specific implications for legal arrangements or for particular criteria regarding effort-sharing.” Siehe IPCC: Summary for Policymakers. In: Edenhofer, O. et al.: Climate Change 2014: Mitigation of Climate Change. Contribution of Working Group III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge/New York 2014, 5.
  2. Die englische Version der Enzyklika ist hier begrifflich präzise und spricht von „common good“; in der deutschen Übersetzung heißt es etwas vager „Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen für alle“ (LS, 23).
  3. Edenhofer, O., Flachsland, C., Jakob, M., Hilaire, J.: Den Klimawandel stoppen. Es gibt nicht zu wenig, sondern zu viel fossile Ressourcen – sie müssen in der Erde bleiben. In: Le Monde diplomatique: Atlas der Globalisierung – Weniger wird mehr. Berlin 2015, 90-93.
  4. Siehe Edenhofer, O., Jakob, M.: Klimapolitik. Ziele, Konflikte, Lösungen. München 2017, 44, 72f; Jakob, M., Edenhofer, O., Kornek, U., Lenzi, D., Minx, J. C.: Governing the Commons to Promote Global Justice – Climate Change Mitigation and Rent Taxation (in Vorbereitung).
  5. Siehe hierzu und zum folgenden Abschnitt über internationale Kooperation: Edenhofer, O., Flachsland, C., Lessmann, K.: Wem gehört die Atmosphäre? Nach dem Klimagipfel in Cancún. Stimmen der Zeit 2/2011, 75-88; sowie ausführlicher Edenhofer, O., Flachsland, C., Jakob, M., Lessmann, K.: The Atmosphere as a Global Commons – Challenges for International Cooperation and Governance. In: Semmler, W., Bernard, L. (Hg.): The Handbook on the Macroeconomics of Climate Change. Oxford 2015, 260-296.
  6. Die grundsätzliche Position der katholischen Soziallehre zu diesen Fragen findet sich formuliert in: Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden (Hg.): Kompendium der Soziallehre der Kirche. Freiburg/Basel/Wien 2006, 137-146, 325-347.
  7. Stiglitz, J. E. et al.: Report of the High-Level Commission on Carbon Prices, 2017.
  8. Edenhofer, O.: King Coal and the queen of subsidies. Science, 349(6254), 1286-1287 (2015).
  9. Edenhofer, O., Ockenfels, A.: Ausweg aus der Klima-Sackgasse. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.10.2015; Edenhofer, O., Ockenfels, A.: Climate Policy at an Impasse. In: Cramton, P., MacKay, D., Ockenfels, A., Stoft, S. (Hg.), Global Carbon Pricing. We Will if You Will. Cambridge 2017, 149-164.
  10. Edenhofer, O., Knopf, B., Bak, C., Bhattacharya, A.: Aligning climate policy with finance ministers’ G20 agenda. Nature Climate Change 7, Commentary, 463-465 (2017).
  11. Edenhofer, O., Flachsland, C., Kornek, C.: Koordinierte CO2-Preise: Ein Vorschlag zur Weiterentwicklung des Pariser Abkommens. In: Sommer, J., Müller, M. (Hg.): Unter 2 Grad? Stuttgart 2016, 69-78.
  12. Edenhofer, O., Steckel, J. C., Jakob, M., Bertram, C.: Reports of coal’s terminal decline may be exaggerated. Environmental Research Letters 13 (2018), No. 2, 024019.
  13. Zu den Herausforderungen und Möglichkeiten einer weltweiten CO2-Bepreisung siehe Jakob, M. et al. (Anm. 4); Edenhofer, O., Jakob, M., Creutzig, F., Flachsland, C., Fuss, S., Kowarsch, M., Lessmann, K., Mattauch, L., Siegmeier, J., Steckel, J.: Closing the emission price gap. Global Environmental Change 31, 132-143 (2015).
  14. Jakob, M., Chen, C., Fuss, S., Marxen, A., Edenhofer, O.: Development Incentives for Fossil Fuel Subsidy Reform. Nature Climate Change 5 (8), 709-712 (2015).
  15. Jakob, M., Chen, C., Fuss, S., Marxen, A., Rao, N. D., Edenhofer, O.: Carbon Pricing Revenues Could Close Infrastructure Access Gaps. World Development 84, 254-265 (2016).
  16. Sombart, W.: Der moderne Kapitalismus. Historisch-systematische Darstellung des gesamteuropäischen Wirtschaftslebens von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. Bd. III: Das Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochkapitalismus. Erster Halbband. München/Leipzig 1928.

Ottmar Edenhofer – « Der Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter »

Ottmar Edenhofer

« Der Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter »


Concilium 2018-5. Ökologie und Theologie der Natur
Concilium 2018-5. Ecology and Theology
Concilium 2018-5. Ecología y teología de la naturaleza
Concilium 2018-5. Écologie et théologie de la nature
Concilium 2018-5. Ecologia e teologia della natura
Concilium 2018-5.

Linda Hogan, João Vila-Chã, Agbonkhianmeghe Orobator

„Die Atmosphäre ist ein globales Gemeinschaftsgut der Menschheit“, heißt es lapidar in der päpstlichen Umweltenzyklika Laudato Si’. Diese Aussage enthält jedoch eine gewaltige politische Sprengkraft. Denn die rechtliche Anerkennung der Atmosphäre und des Klimas als globales Gemeinschaftsgut hat potentiell völkerrechtliche Konsequenzen: Im Falle seiner Gefährdung könnte daraus eine Schutzverpflichtung abgeleitet werden. Einige Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention befürchten offenbar genau dies. Jedenfalls haben sie es abgelehnt, das Klimaproblem im Fünften Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC als „Global Commons“-Problem anzuerkennen. In der entsprechenden Fußnote heißt es explizit, dass der Begriff als Charakterisierung des Klimaproblems keine Implikationen für völkerrechtliche Abkommen oder internationale Lastenteilung zum Klimaschutz habe.1 Der Papst hat mit Laudato Si’ dagegen den Mut, den Status der Atmosphäre als globales Gemeinschaftsgut in das kollektive Bewusstsein der Menschheit zu heben.

Das Revolutionäre daran ist die Forderung, die globalen Gemeinschafsgüter durch eine entsprechende Ordnungs- und Strukturpolitik zu schützen (Laudato si’ 174).2 Damit wird zum ersten Mal in der Geschichte der kirchlichen Soziallehre das Prinzip der universalen Widmung der Erdengüter auch auf die globalen Kohlendioxid-Senken Atmosphäre, Ozeane und Wälder angewandt. Um die Ärmsten zu schützen und den gefährlichen Klimawandel zu vermeiden, müssen diese Senken vor einer Übernutzung bewahrt werden.

Aus dem jüngsten Bericht des Weltklimarates lässt sich ableiten, dass die Einhaltung der Zwei-Grad-Obergrenze den verbleibenden weltweiten CO2-Ausstoß auf etwa 700 bis 800 Gigatonnen (Gt) begrenzt. Bei dem derzeitigen Emissionsniveau von etwa 40 Gt jährlich bleiben also noch höchstens 20 Jahre – dann ist das Budget aufgebraucht. Knapp werden die fossilen Brennstoffe bis dahin nicht, in den Vorkommen im Boden sind noch geschätzte 15.000 Gt CO2 gebunden. Der überwiegende Teil davon darf also nicht mehr verbrannt und das entstehende Kohlendioxid in der Atmosphäre abgelagert werden. Gegenüber einem „Weiter-so“-Szenario ohne globale Klimapolitik müssen zur Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels weltweit mindestens etwa 70 Prozent der Kohle, 30 Prozent des Gases und 30 Prozent des Öls im Boden bleiben.3 Wenn aber ein Großteil der fossilen Ressourcen im Boden bleiben muss, werden die Vermögen ihrer Besitzer entwertet.4 Manch einer mag das als einen Eingriff in nationalstaatliche und private Eigentumsrechte interpretieren.

Laudato Si‘ zufolge ist dieser Eingriff in die Eigentumsrechte der Besitzer von Kohle, Öl und Gas gerechtfertigt, wenn dadurch die Gefahren eines gefährlichen Klimawandels abgewendet werden.5 Darin zeigt sich der Beitrag der Enzyklika zur Weiterentwicklung der katholischen Eigentumslehre. Sie positioniert sich im Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter in einer für die kirchliche Sozialverkündigung bisher ungewohnten Eindeutigkeit. Die Soziallehre betont zwar, dass das Prinzip der „allgemeinen Bestimmung der Erdengüter“ dem Recht auf Privateigentum übergeordnet ist (LS 93).6 Laudato Si’ präzisiert dieses Prinzip aber insofern, als nun auch die Übernutzung der globalen Kohlenstoff-Senken als Rechtfertigung anerkannt wird, das Recht auf Privateigentum einzuschränken (LS 23-24 und insb. 93-95). Damit wird die gegenwärtige Nutzung der Atmosphäre nach dem Recht des Stärkeren grundsätzlich in Frage gestellt.

1. Die Notwendigkeit internationaler Kooperation

Die Frage, wie die Beschränkung des Zugangs zur Atmosphäre institutionell ausgestaltet werden könnte, lässt die Enzyklika offen. Sie weist jedoch zu Recht auf den ökonomischen Grundsatz hin, dass in Marktpreisen sämtliche soziale Kosten angemessen zum Ausdruck kommen müssen (LS 195). Gerade bei der Nutzung von Kohle, Öl und Gas werden diese Kosten nicht eingerechnet. Da es bislang keine Weltregierung gibt, die hier steuernd eingreifen könnte, scheinen zeitraubende internationale Verhandlungen zwischen souveränen Nationalstaaten die einzige Lösung zu sein.

In der Politik ist noch immer die Hoffnung verbreitet, dass man sich die Verhandlungen dank des technischen Fortschritts bei den erneuerbaren Energien sparen könne. Durch den Fortschritt würden deren Kosten so weit sinken, dass es sich für niemanden mehr lohnt, Kohle aus dem Boden zu holen. In der Tat sind die Stromgestehungskosten von Windkraft unter optimalen Bedingungen schon heute niedriger als die von Kohle. Bei der Solarenergie sieht es ähnlich aus. Neue Entwicklungen bei den Speichertechnologien und der Ausbau integrierter Stromnetze werden künftig sogar die Fluktuationen bei Wind und Sonne auffangen. Dennoch: Den technischen Fortschritt für den alleinigen Heilsbringer des Weltklimas zu halten, ist gefährlich.

Die Kostensenkungen bei den CO2-freien Technologien führen zwar zu einer sinkenden Nachfrage nach fossilen Energieträgern. Allerdings fallen infolge des Nachfragerückgangs auch die Preise für Kohle, Öl und Gas. Dadurch wird insgesamt wieder mehr fossile Energie verbraucht. Das gilt insbesondere in Ländern, in denen es keine stringenten Klimaziele gibt. Der technische Fortschritt bei den Erneuerbaren bedingt also nicht eins-zu-eins den Rückgang fossiler Energien. Die Förderung CO2-freier Technologien wird alleine nicht zum Ziel führen.

Die Lösung des Dilemmas liegt darin, den schädlichen Emissionen einen Preis zu geben. Das bedeutet, dass die Verursacher der Treibhausgase dafür zahlen müssen, wenn sie ihre Emissionen in der Atmosphäre ablagern. Ein CO2-Preis begünstigt nicht nur die Erneuerbaren, er verteuert zugleich die Nutzung der fossilen Energieträger. Dadurch verschwindet der Anreiz, vermehrt Kohle, Öl und Gas zu nutzen. Wenn die Emissionen also nachhaltig sinken sollen, muss die Politik den Preis für CO2 erhöhen. Dies würde auch dazu beitragen, die globale Wirtschaftsordnung gerechter zu gestalten, wie es Laudato Si’ fordert. Für den Papst ist eine Wirtschaftsordnung nur dann ethisch gerecht, wenn alle Kosten von ihren Verursachern getragen und nicht auf Dritte abgewälzt werden (LS 195).

Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, sind CO2-Preise notwendig, die im Laufe der Zeit ansteigen. Die Weltbank hat das entsprechende Preisniveau berechnet: Bis 2020 müssten die Preise pro Tonne CO2 zwischen 40 und 80 US-Dollar liegen. Im Jahr 2030 sollten sie ein Niveau zwischen 50 und 100 US-Dollar erreicht haben.7

Doch bislang wird die Nutzung fossiler Energieträger gefördert statt bestraft. Legt man die durch Umwelt- und Gesundheitsschäden entstandenen Kosten zugrunde, wird die Tonne CO2 im weltweiten Schnitt mit 150 US-Dollar pro Jahr subventioniert. Die Herausforderung der nächsten Jahre ist, dass aus negativen CO2-Preisen (Subventionen) positive Preise werden.8

2. Wie Kooperation gelingen kann

Der Ruf nach CO2-Preisen ist sicherlich leicht – die politische Umsetzung dagegen schwierig. Dabei gibt es nicht nur innenpolitische Hindernisse wie zum Beispiel steigende Strompreise. Die global vernetzten Märkte verlangen, dass bei der Klimapolitik alle Staaten, oder zumindest ein Großteil, an einem Strang ziehen. Wenn nur ein einzelner Staat CO2-Preise einführt, verliert er an Wettbewerbsfähigkeit. Die Auswirkungen sind dabei umso größer, je stärker seine Güter-, Kapital- und Arbeitsmärkte in die Weltwirtschaft integriert sind. Darum ist internationale Kooperation zwingend notwendig.

Das Abkommen von Paris ist in dieser Hinsicht ein Fortschritt. Es beruht jedoch auf freiwilligen Selbstverpflichtungen. Stellen die Länder fest, dass ihre eigenen Anstrengungen nicht durch entsprechende Maßnahmen in anderen Ländern erwidert werden, ist die Glaubwürdigkeit und damit die Kooperation dahin. Kein Staat wird seine Verpflichtungen dann einhalten. 9

Ein möglicher Weg zu erfolgreicher Kooperation wäre die Verpflichtung einzelner Länder, einen CO2-Preis auf nationaler Ebene einzuführen. Das müsste jedoch an die Bedingung geknüpft sein, dass andere Staaten ihnen darin folgen und ebenfalls entsprechend hohe Preise einführen. Mit dieser Strategie könnten Befürchtungen über Wettbewerbsnachteile durch CO2-Bepreisung entkräftet werden. Sollten einige Staaten aus dem Abkommen aussteigen, würden sie dadurch bestraft, dass andere Länder ebenfalls ihre Anstrengungen zu Emissionsminderungen senken. Das führt langfristig zu erhöhten Klimaschäden und damit zu höheren Kosten.

Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass viele Staaten und Regionen bereits eine CO2-Steuer oder einen Emissionshandel eingeführt haben.10 Knapp 15 Prozent der Emissionen weltweit unterliegen der Regulierung durch CO2-Preise. In den meisten Emissionshandelssystemen, etwa im europäischen Emissionshandel (EU ETS), sind sie allerdings viel zu niedrig. Es gibt aber auch positive Ausnahmen wie Schweden und die kanadische Provinz British Columbia, die eine CO2-Steuer von umgerechnet etwa 120 Euro bzw. 30 US-Dollar pro Tonne eingeführt haben.

3. Gerechtigkeit und Klimafinanzierung

Die Leistungsfähigkeit der Länder ist ungleich verteilt. Zu einer weltweiten Koordination und Anhebung der CO2-Preise wird es daher nur kommen, wenn es einen Lastenausgleich zwischen Arm und Reich gibt. Transferleistungen an ärmere Länder sollten allerdings mit der Bedingung verknüpft sein, dass diese einen Mindestpreis für Emissionen akzeptieren.11 Ein Stützpfeiler der Klimafinanzierung könnte der Green Climate Fund (GCF) sein. Länder mit relativ hohen Kosten der Emissionsvermeidung würden aus dessen Mitteln kompensiert werden. So hätten auch sie einen Anreiz, eine ambitionierte Klimapolitik zu betreiben. Die Länder, die die Gelder bereitstellen, profitieren ebenso, weil die ärmeren Staaten zum globalen Klimaschutz beitragen und damit die Kosten des Klimaschutzes senken.

Die meisten Staaten sind zwar bisher äußerst zurückhaltend bei der Einführung von CO2-Preisen. Die Weltbank sowie einige private Banken, institutionelle Investoren und Unternehmen verwenden dagegen bereits einen internen CO2-Preis. In ihrer Rolle als institutionelle Investoren könnten die Kirchen noch überzeugender die ethische Bedeutung der CO2-Bepreisung betonen. Pensionsfonds, ethische Investmentfonds, Entwicklungsbanken und die großen Rückversicherungsgesellschaften fordern die Einführung von Emissionshandelssystemen oder CO2-Steuern bereits immer lauter. Bisher ist die Stimme der Finanzmarktakteure nur für Experten wahrnehmbar; in den Finanzministerien wird sie gehört und sehr wohl verstanden. Es ist aber notwendig, dass auch die breite Öffentlichkeit die Forderung nach klimagerechten Preisen versteht und deren Einführung von den Politikern einfordert.

4. Steigende Hürden durch billige fossile Brennstoffe

Das Grundproblem der internationalen Klimapolitik ist das Überangebot an fossilen Energieträgern. Die Preise für Kohle, Öl und Gas verharren deshalb auf niedrigem Niveau und werden für absehbare Zeit dort bleiben. Für Schwellen- und Entwicklungsländer ist die Nutzung der vermeintlich billigen Kohle damit besonders attraktiv. So beträgt der Anteil der Kohle an der Primärenergie in China etwa 70 Prozent. Zwar hat sich der Zubau neuer Kohlekraftwerke in China zuletzt verlangsamt, dafür wollen andere Länder den Kohleausbau jedoch sogar noch beschleunigen. Indien hat beispielsweise angekündigt, die Nutzung seiner heimischen Kohle bis zum Jahr 2019 im Vergleich zu 2013 zu verdoppeln.

Auch Länder wie die Türkei, Indonesien Vietnam, Südafrika, Korea, Japan oder Bangladesch planen  neue Kohlekraftwerke. Weltweit befinden sich fast 1400 neue Kohlekraftwerke im Bau oder in Planung. Rechnet man die bereits im Betrieb befindlichen Kraftwerke hinzu und legt die Emissionen während einer durchschnittlichen Kraftwerks-Lebensdauer von 40 Jahren zugrunde, so belastet allein die Kohle die Atmosphäre bereits mit etwa 330 Gigatonnen CO2. Damit verbraucht sie schon fast die Hälfte des CO2-Budgets für die Temperaturobergrenze von zwei Grad Celsius.12

Daneben gewinnen andere, sogenannte nicht-konventionelle Vorkommen zunehmend an Bedeutung. Die Erschließung von Teersand-Lagerstätten hat Kanada zu einem wichtigen Exporteur von Öl werden lassen. Das Fracking-Verfahren – dabei wird Öl mit hohem Druck unter Zuhilfenahme spezieller Chemikalien aus dem Gestein gepresst – führte auch zu einem rapiden Anstieg der Ölförderung in den USA, der die Importabhängigkeit des Landes stark verringerte und zum Verfall des Weltmarktpreises für Öl beitrug. Durch den niedrigen Ölpreis verlieren Elektro- und Wasserstoffautos gegenüber Benzin- und Dieselmotoren ebenso an Wettbewerbsfähigkeit wie synthetische Kraftstoffe gegenüber Mineralöl.

Durch das Fracking ist aber nicht nur das Angebot von Öl, sondern auch das von Gas erhöht. In den USA wurde die Stromversorgung daher verstärkt auf Erdgas umgestellt. Weil der Gaspreis dort unter dem Preis von Kohle liegt, werden die Vereinigten Staaten vermutlich auch unter Präsident Donald Trump zunehmend aus der heimischen Kohleverstromung aussteigen – dadurch werden die heimischen Emissionen sinken. In globalem Maßstab werden sie trotz des vermehrten Gasangebotes jedoch weiter steigen, weil die USA nun vermehrt Kohle exportieren und der Gaspreis außerhalb der Vereinigten Staaten über dem Kohlepreis liegt.

Im Gegensatz zum „Club of Rome“, der 1972 das baldige Ende der fossilen Vorkommen prognostizierte, wissen wir es heute besser: Nicht die Knappheit von Kohle, Öl und Gas wird das 21. Jahrhundert prägen, sondern die begrenzte Kohlenstoff-Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre. Die politischen Entscheider können nicht mehr hoffen, dass der Handlungsdruck von den Märkten kommt. Sie müssen durch internationale Regeln und Vereinbarungen dafür sorgen, dass die fossilen Ressourcen im Boden bleiben und die Atmosphäre als das Gemeinschaftsgut der gesamten Menschheit geschützt wird. Laudato Si‘ sieht die Lösung der globalen Krise im Zusammenspiel von internationaler Kooperation, nationalstaatlicher Politik, kommunalem Engagement und der Kraft einer entstehenden bunten Zivilgesellschaft.

Die Enzyklika fordert die Schaffung einer „politischen Weltautorität“ (LS 175). Damit ist jedoch keine Weltregierung gemeint, sondern die Notwendigkeit internationaler Kooperation und Koordination von Nationalstaaten, um die Globalisierung zu gestalten, statt ihr ausgeliefert zu sein. Laudato si’ sieht die Bewegungen der Zivilgesellschaft als Hebel, um nationalstaatliche Politik unter Druck zu setzen. Es geht dem Papst dabei nicht nur um politischen Protest. Er betont, dass mündige Konsumenten und Investoren durch Boykott und Widerspruch auch auf Märkten Druck ausüben können und sollen (LS 206). Tugendethik und Gesellschaftsreform schließen einander nicht aus, sie bedingen einander. Der durch die Technik ermöglichte Machtzuwachs in der Moderne bedarf eines geschärften individuellen Gewissens und neuer Formen institutioneller Verantwortung.

5. Klimapolitik als Option für die Armen

Eine ambitionierte Klimapolitik wird vor allem den kommenden Generationen zugutekommen und damit auch den Menschen, die künftig in der südlichen Hemisphäre leben. Politiker stehen jedoch nicht nur in der Pflicht, kommenden Generationen ein gutes Leben zu ermöglichen, sondern müssen auch die Probleme von heute lösen, etwa den Kampf gegen Armut vorantreiben. Kann der Zielkonflikt zwischen langfristiger Zukunftsverantwortung und den drängenden Herausforderungen der Gegenwart entschärft werden?

In der Tat besteht zwischen Klimapolitik auf der einen Seite und Armutsbekämpfung auf der anderen nicht notwendigerweise ein Konflikt – im Gegenteil: Eine kluge Klimapolitik kann dabei helfen, heutige Probleme zu lösen. So könnten die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung dazu verwendet werden, gerade den Ärmsten einen Zugang zu grundlegenden Gütern zu ermöglichen. Eine solche CO2-Steuerreform kann von nationalen Regierungen durchgeführt werden, wenn sie sich international koordinieren.13

In vielen Ländern hat ein Großteil der Menschen noch immer keinen Zugang zu lebensnotwendiger Infrastruktur wie sauberem Wasser, Sanitärversorgung oder Elektrizität. Die Vereinten Nationen haben aus diesem Grund die Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) formuliert. Dazu gehören neben der Bekämpfung von Armut etwa die Schaffung von Grundlagen für eine ansteigende Volksgesundheit und der Zugang zu bezahlbarer, sauberer Energie. Schon durch die Abschaffung der direkten Subventionen für fossile Energien würde bereits in vielen Ländern so viel Geld frei, dass man damit dem Erreichen der SDGs ein gutes Stück näher kommen würde. So könnte bis 2030 in etwa 70 Ländern der universelle Zugang zu Wasser hergestellt werden, mehr als 60 Staaten könnten flächendeckende Sanitärversorgung sicherstellen und über 50 den Zugang zu Elektrizität.14

Mit entsprechenden CO2-Preisen – auf einem Niveau vereinbar mit dem Zwei-Grad-Ziel des Paris-Abkommens – könnten auch höhere Einnahmen erzielt werden. Mit diesem Geld könnte überall auf der Welt der Zugang zu Wasser, Sanitärversorgung oder Strom für alle Menschen gesichert werden. Allerdings würden gerade die Menschen in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara von einer CO2-Bepreisung kaum profitieren: Denn einerseits sind die Emissionen noch sehr gering, während andererseits der Ausbaubedarf bei der Infrastruktur besonders groß ist. Würden die Einnahmen aus CO2-Preisen aber international gerecht verteilt, würden auch diese Menschen davon profitieren.15 CO2-Bepreisung kann also zur Armutsbekämpfung eingesetzt werden und erfüllt damit eine zentrale Forderung des Papstes: Die gleichzeitige Bekämpfung von Klimawandel und Armut.

6. Das Anthropozän und die globalen Gemeinschaftsgüter

Wettbewerb und private Eigentumsrechte haben den Kapitalismus des 19. und 20. Jahrhunderts entfesselt und damit ein nie gekanntes Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum ermöglicht. Dieses Wachstum basierte auf einem „Lotteriegewinn“16: Der Entdeckung von Kohle, Öl und Gas und deren Nutzung durch innovative Unternehmen. Die ungehemmte Verbrennung der fossilen Energieträger untergräbt die Grundlagen unserer Zivilisation. Denn die Lagerstätten enthalten Kohlenstoff, den Pflanzen und Tiere der Atmosphäre über Jahrmillionen entzogen haben. Durch die Verfeuerung setzen wir diesen Kohlenstoff in nur wenigen Jahrzehnten in Form von CO2 wieder frei. Das lässt die globale Mitteltemperatur und die Klimaschäden in einem Ausmaß ansteigen, das für die bisherige Kulturgeschichte der Menschheit ohne historisches Vorbild ist. Zurecht haben die massiven Umweltveränderungen, die die Menschheit seit Beginn der Industriellen Revolution zu verantworten hat, in der Wissenschaft eine Diskussion über den Beginn eines neuen Erdzeitalters entfacht: Es wird als Anthropozän bezeichnet – die Epoche des Menschen in der Rolle einer geologischen Kraft, die die Funktionsweise des Erdsystems grundlegend verändert.

Die zivilisatorischen Errungenschaften werden im 21. Jahrhundert nur dann Bestand haben können, wenn die globalen Gemeinschaftsgüter wie Atmosphäre, Ozeane, Land und Wälder nicht mehr übernutzt werden. Dazu ist internationale Kooperation und Koordination notwendig. Es gehört zur Tragik des beginnenden 21. Jahrhunderts, dass das Überleben der Menschheit von einer gelingenden internationalen Kooperation abhängt. Dabei sind die multilateralen Institutionen gerade heute durch den wieder aufkeimenden Nationalismus nicht nur geschwächt, sondern existentiell bedroht.

Die Enzyklika Laudato Si‘ hat hier ein kraftvolles Zeichen gesetzt: Wie kaum ein Dokument der kirchlichen Sozialverkündigung hat sie die Bekämpfung der Armut, die Vermeidung gefährlichen Klimawandels und die Notwendigkeit von Kooperation nicht nur gefordert, sondern eine ungewöhnliche Resonanz auch außerhalb der katholischen Kirche ausgelöst. Damit ist sie zu einem Meilenstein der kirchlichen Soziallehre geworden, im besonderen Maße aber auch ein Fanal im Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter.

Abstract

Um die Atmosphäre vor einer Übernutzung zu schützen und so die globale Erwärmung zu begrenzen, bedarf es internationaler Kooperation. Grundlage dafür ist das Bewusstsein, dass es sich bei der Atmosphäre sowie Ozeanen und Wäldern als Kohlendioxid-Senken um globale Gemeinschaftsgüter handelt. Sie sollten daher als solche anerkannt werden – so fordert es auch der Papst in seiner Umweltenzyklika Laudato Si. Das wirksamste Instrument der Klimapolitik sind ausreichend hohe, auf internationaler Ebene abgestimmte CO2-Preise. Sie bewahren die Ärmsten nicht nur vor den Folgen des gefährlichen Klimawandels, sondern schaffen zugleich dringend benötigte Einnahmen für die Bekämpfung von Armut – etwa durch öffentliche Investitionen in die Infrastruktur.

Autore

Ottmar Edenhofer ist einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Ökonomie des Klimawandels. Er ist designierter Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sowie Gründungsdirektor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) und Professor an der Technischen Universität Berlin (TU Berlin). Von 2008 bis 2015 war er Ko-Vorsitzender der mit Klimaschutz befassten Arbeitsgruppe III des Weltklimarates IPCC.

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Potsdam Institute for Climate Impact, Telegraphenberg A 31

PO Box 60 12 03, D-14412 Potsdam



Notes

  1. Die Fußnote im Wortlaut: “In the social sciences this [das Klimaproblem] is referred to as a ‘global commons problem‘. As this expression is used in the social sciences, it has no specific implications for legal arrangements or for particular criteria regarding effort-sharing.” Siehe IPCC: Summary for Policymakers. In: Edenhofer, O. et al.: Climate Change 2014: Mitigation of Climate Change. Contribution of Working Group III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge/New York 2014, 5.
  2. Die englische Version der Enzyklika ist hier begrifflich präzise und spricht von „common good“; in der deutschen Übersetzung heißt es etwas vager „Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen für alle“ (LS, 23).
  3. Edenhofer, O., Flachsland, C., Jakob, M., Hilaire, J.: Den Klimawandel stoppen. Es gibt nicht zu wenig, sondern zu viel fossile Ressourcen – sie müssen in der Erde bleiben. In: Le Monde diplomatique: Atlas der Globalisierung – Weniger wird mehr. Berlin 2015, 90-93.
  4. Siehe Edenhofer, O., Jakob, M.: Klimapolitik. Ziele, Konflikte, Lösungen. München 2017, 44, 72f; Jakob, M., Edenhofer, O., Kornek, U., Lenzi, D., Minx, J. C.: Governing the Commons to Promote Global Justice – Climate Change Mitigation and Rent Taxation (in Vorbereitung).
  5. Siehe hierzu und zum folgenden Abschnitt über internationale Kooperation: Edenhofer, O., Flachsland, C., Lessmann, K.: Wem gehört die Atmosphäre? Nach dem Klimagipfel in Cancún. Stimmen der Zeit 2/2011, 75-88; sowie ausführlicher Edenhofer, O., Flachsland, C., Jakob, M., Lessmann, K.: The Atmosphere as a Global Commons – Challenges for International Cooperation and Governance. In: Semmler, W., Bernard, L. (Hg.): The Handbook on the Macroeconomics of Climate Change. Oxford 2015, 260-296.
  6. Die grundsätzliche Position der katholischen Soziallehre zu diesen Fragen findet sich formuliert in: Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden (Hg.): Kompendium der Soziallehre der Kirche. Freiburg/Basel/Wien 2006, 137-146, 325-347.
  7. Stiglitz, J. E. et al.: Report of the High-Level Commission on Carbon Prices, 2017.
  8. Edenhofer, O.: King Coal and the queen of subsidies. Science, 349(6254), 1286-1287 (2015).
  9. Edenhofer, O., Ockenfels, A.: Ausweg aus der Klima-Sackgasse. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.10.2015; Edenhofer, O., Ockenfels, A.: Climate Policy at an Impasse. In: Cramton, P., MacKay, D., Ockenfels, A., Stoft, S. (Hg.), Global Carbon Pricing. We Will if You Will. Cambridge 2017, 149-164.
  10. Edenhofer, O., Knopf, B., Bak, C., Bhattacharya, A.: Aligning climate policy with finance ministers’ G20 agenda. Nature Climate Change 7, Commentary, 463-465 (2017).
  11. Edenhofer, O., Flachsland, C., Kornek, C.: Koordinierte CO2-Preise: Ein Vorschlag zur Weiterentwicklung des Pariser Abkommens. In: Sommer, J., Müller, M. (Hg.): Unter 2 Grad? Stuttgart 2016, 69-78.
  12. Edenhofer, O., Steckel, J. C., Jakob, M., Bertram, C.: Reports of coal’s terminal decline may be exaggerated. Environmental Research Letters 13 (2018), No. 2, 024019.
  13. Zu den Herausforderungen und Möglichkeiten einer weltweiten CO2-Bepreisung siehe Jakob, M. et al. (Anm. 4); Edenhofer, O., Jakob, M., Creutzig, F., Flachsland, C., Fuss, S., Kowarsch, M., Lessmann, K., Mattauch, L., Siegmeier, J., Steckel, J.: Closing the emission price gap. Global Environmental Change 31, 132-143 (2015).
  14. Jakob, M., Chen, C., Fuss, S., Marxen, A., Edenhofer, O.: Development Incentives for Fossil Fuel Subsidy Reform. Nature Climate Change 5 (8), 709-712 (2015).
  15. Jakob, M., Chen, C., Fuss, S., Marxen, A., Rao, N. D., Edenhofer, O.: Carbon Pricing Revenues Could Close Infrastructure Access Gaps. World Development 84, 254-265 (2016).
  16. Sombart, W.: Der moderne Kapitalismus. Historisch-systematische Darstellung des gesamteuropäischen Wirtschaftslebens von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. Bd. III: Das Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochkapitalismus. Erster Halbband. München/Leipzig 1928.

Ottmar Edenhofer – « Der Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter »

Ottmar Edenhofer

« Der Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter »


Concilium 2018-5. Ökologie und Theologie der Natur
Concilium 2018-5. Ecology and Theology
Concilium 2018-5. Ecología y teología de la naturaleza
Concilium 2018-5. Écologie et théologie de la nature
Concilium 2018-5. Ecologia e teologia della natura
Concilium 2018-5.

Linda Hogan, João Vila-Chã, Agbonkhianmeghe Orobator

„Die Atmosphäre ist ein globales Gemeinschaftsgut der Menschheit“, heißt es lapidar in der päpstlichen Umweltenzyklika Laudato Si’. Diese Aussage enthält jedoch eine gewaltige politische Sprengkraft. Denn die rechtliche Anerkennung der Atmosphäre und des Klimas als globales Gemeinschaftsgut hat potentiell völkerrechtliche Konsequenzen: Im Falle seiner Gefährdung könnte daraus eine Schutzverpflichtung abgeleitet werden. Einige Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention befürchten offenbar genau dies. Jedenfalls haben sie es abgelehnt, das Klimaproblem im Fünften Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC als „Global Commons“-Problem anzuerkennen. In der entsprechenden Fußnote heißt es explizit, dass der Begriff als Charakterisierung des Klimaproblems keine Implikationen für völkerrechtliche Abkommen oder internationale Lastenteilung zum Klimaschutz habe.1 Der Papst hat mit Laudato Si’ dagegen den Mut, den Status der Atmosphäre als globales Gemeinschaftsgut in das kollektive Bewusstsein der Menschheit zu heben.

Das Revolutionäre daran ist die Forderung, die globalen Gemeinschafsgüter durch eine entsprechende Ordnungs- und Strukturpolitik zu schützen (Laudato si’ 174).2 Damit wird zum ersten Mal in der Geschichte der kirchlichen Soziallehre das Prinzip der universalen Widmung der Erdengüter auch auf die globalen Kohlendioxid-Senken Atmosphäre, Ozeane und Wälder angewandt. Um die Ärmsten zu schützen und den gefährlichen Klimawandel zu vermeiden, müssen diese Senken vor einer Übernutzung bewahrt werden.

Aus dem jüngsten Bericht des Weltklimarates lässt sich ableiten, dass die Einhaltung der Zwei-Grad-Obergrenze den verbleibenden weltweiten CO2-Ausstoß auf etwa 700 bis 800 Gigatonnen (Gt) begrenzt. Bei dem derzeitigen Emissionsniveau von etwa 40 Gt jährlich bleiben also noch höchstens 20 Jahre – dann ist das Budget aufgebraucht. Knapp werden die fossilen Brennstoffe bis dahin nicht, in den Vorkommen im Boden sind noch geschätzte 15.000 Gt CO2 gebunden. Der überwiegende Teil davon darf also nicht mehr verbrannt und das entstehende Kohlendioxid in der Atmosphäre abgelagert werden. Gegenüber einem „Weiter-so“-Szenario ohne globale Klimapolitik müssen zur Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels weltweit mindestens etwa 70 Prozent der Kohle, 30 Prozent des Gases und 30 Prozent des Öls im Boden bleiben.3 Wenn aber ein Großteil der fossilen Ressourcen im Boden bleiben muss, werden die Vermögen ihrer Besitzer entwertet.4 Manch einer mag das als einen Eingriff in nationalstaatliche und private Eigentumsrechte interpretieren.

Laudato Si‘ zufolge ist dieser Eingriff in die Eigentumsrechte der Besitzer von Kohle, Öl und Gas gerechtfertigt, wenn dadurch die Gefahren eines gefährlichen Klimawandels abgewendet werden.5 Darin zeigt sich der Beitrag der Enzyklika zur Weiterentwicklung der katholischen Eigentumslehre. Sie positioniert sich im Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter in einer für die kirchliche Sozialverkündigung bisher ungewohnten Eindeutigkeit. Die Soziallehre betont zwar, dass das Prinzip der „allgemeinen Bestimmung der Erdengüter“ dem Recht auf Privateigentum übergeordnet ist (LS 93).6 Laudato Si’ präzisiert dieses Prinzip aber insofern, als nun auch die Übernutzung der globalen Kohlenstoff-Senken als Rechtfertigung anerkannt wird, das Recht auf Privateigentum einzuschränken (LS 23-24 und insb. 93-95). Damit wird die gegenwärtige Nutzung der Atmosphäre nach dem Recht des Stärkeren grundsätzlich in Frage gestellt.

1. Die Notwendigkeit internationaler Kooperation

Die Frage, wie die Beschränkung des Zugangs zur Atmosphäre institutionell ausgestaltet werden könnte, lässt die Enzyklika offen. Sie weist jedoch zu Recht auf den ökonomischen Grundsatz hin, dass in Marktpreisen sämtliche soziale Kosten angemessen zum Ausdruck kommen müssen (LS 195). Gerade bei der Nutzung von Kohle, Öl und Gas werden diese Kosten nicht eingerechnet. Da es bislang keine Weltregierung gibt, die hier steuernd eingreifen könnte, scheinen zeitraubende internationale Verhandlungen zwischen souveränen Nationalstaaten die einzige Lösung zu sein.

In der Politik ist noch immer die Hoffnung verbreitet, dass man sich die Verhandlungen dank des technischen Fortschritts bei den erneuerbaren Energien sparen könne. Durch den Fortschritt würden deren Kosten so weit sinken, dass es sich für niemanden mehr lohnt, Kohle aus dem Boden zu holen. In der Tat sind die Stromgestehungskosten von Windkraft unter optimalen Bedingungen schon heute niedriger als die von Kohle. Bei der Solarenergie sieht es ähnlich aus. Neue Entwicklungen bei den Speichertechnologien und der Ausbau integrierter Stromnetze werden künftig sogar die Fluktuationen bei Wind und Sonne auffangen. Dennoch: Den technischen Fortschritt für den alleinigen Heilsbringer des Weltklimas zu halten, ist gefährlich.

Die Kostensenkungen bei den CO2-freien Technologien führen zwar zu einer sinkenden Nachfrage nach fossilen Energieträgern. Allerdings fallen infolge des Nachfragerückgangs auch die Preise für Kohle, Öl und Gas. Dadurch wird insgesamt wieder mehr fossile Energie verbraucht. Das gilt insbesondere in Ländern, in denen es keine stringenten Klimaziele gibt. Der technische Fortschritt bei den Erneuerbaren bedingt also nicht eins-zu-eins den Rückgang fossiler Energien. Die Förderung CO2-freier Technologien wird alleine nicht zum Ziel führen.

Die Lösung des Dilemmas liegt darin, den schädlichen Emissionen einen Preis zu geben. Das bedeutet, dass die Verursacher der Treibhausgase dafür zahlen müssen, wenn sie ihre Emissionen in der Atmosphäre ablagern. Ein CO2-Preis begünstigt nicht nur die Erneuerbaren, er verteuert zugleich die Nutzung der fossilen Energieträger. Dadurch verschwindet der Anreiz, vermehrt Kohle, Öl und Gas zu nutzen. Wenn die Emissionen also nachhaltig sinken sollen, muss die Politik den Preis für CO2 erhöhen. Dies würde auch dazu beitragen, die globale Wirtschaftsordnung gerechter zu gestalten, wie es Laudato Si’ fordert. Für den Papst ist eine Wirtschaftsordnung nur dann ethisch gerecht, wenn alle Kosten von ihren Verursachern getragen und nicht auf Dritte abgewälzt werden (LS 195).

Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, sind CO2-Preise notwendig, die im Laufe der Zeit ansteigen. Die Weltbank hat das entsprechende Preisniveau berechnet: Bis 2020 müssten die Preise pro Tonne CO2 zwischen 40 und 80 US-Dollar liegen. Im Jahr 2030 sollten sie ein Niveau zwischen 50 und 100 US-Dollar erreicht haben.7

Doch bislang wird die Nutzung fossiler Energieträger gefördert statt bestraft. Legt man die durch Umwelt- und Gesundheitsschäden entstandenen Kosten zugrunde, wird die Tonne CO2 im weltweiten Schnitt mit 150 US-Dollar pro Jahr subventioniert. Die Herausforderung der nächsten Jahre ist, dass aus negativen CO2-Preisen (Subventionen) positive Preise werden.8

2. Wie Kooperation gelingen kann

Der Ruf nach CO2-Preisen ist sicherlich leicht – die politische Umsetzung dagegen schwierig. Dabei gibt es nicht nur innenpolitische Hindernisse wie zum Beispiel steigende Strompreise. Die global vernetzten Märkte verlangen, dass bei der Klimapolitik alle Staaten, oder zumindest ein Großteil, an einem Strang ziehen. Wenn nur ein einzelner Staat CO2-Preise einführt, verliert er an Wettbewerbsfähigkeit. Die Auswirkungen sind dabei umso größer, je stärker seine Güter-, Kapital- und Arbeitsmärkte in die Weltwirtschaft integriert sind. Darum ist internationale Kooperation zwingend notwendig.

Das Abkommen von Paris ist in dieser Hinsicht ein Fortschritt. Es beruht jedoch auf freiwilligen Selbstverpflichtungen. Stellen die Länder fest, dass ihre eigenen Anstrengungen nicht durch entsprechende Maßnahmen in anderen Ländern erwidert werden, ist die Glaubwürdigkeit und damit die Kooperation dahin. Kein Staat wird seine Verpflichtungen dann einhalten. 9

Ein möglicher Weg zu erfolgreicher Kooperation wäre die Verpflichtung einzelner Länder, einen CO2-Preis auf nationaler Ebene einzuführen. Das müsste jedoch an die Bedingung geknüpft sein, dass andere Staaten ihnen darin folgen und ebenfalls entsprechend hohe Preise einführen. Mit dieser Strategie könnten Befürchtungen über Wettbewerbsnachteile durch CO2-Bepreisung entkräftet werden. Sollten einige Staaten aus dem Abkommen aussteigen, würden sie dadurch bestraft, dass andere Länder ebenfalls ihre Anstrengungen zu Emissionsminderungen senken. Das führt langfristig zu erhöhten Klimaschäden und damit zu höheren Kosten.

Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass viele Staaten und Regionen bereits eine CO2-Steuer oder einen Emissionshandel eingeführt haben.10 Knapp 15 Prozent der Emissionen weltweit unterliegen der Regulierung durch CO2-Preise. In den meisten Emissionshandelssystemen, etwa im europäischen Emissionshandel (EU ETS), sind sie allerdings viel zu niedrig. Es gibt aber auch positive Ausnahmen wie Schweden und die kanadische Provinz British Columbia, die eine CO2-Steuer von umgerechnet etwa 120 Euro bzw. 30 US-Dollar pro Tonne eingeführt haben.

3. Gerechtigkeit und Klimafinanzierung

Die Leistungsfähigkeit der Länder ist ungleich verteilt. Zu einer weltweiten Koordination und Anhebung der CO2-Preise wird es daher nur kommen, wenn es einen Lastenausgleich zwischen Arm und Reich gibt. Transferleistungen an ärmere Länder sollten allerdings mit der Bedingung verknüpft sein, dass diese einen Mindestpreis für Emissionen akzeptieren.11 Ein Stützpfeiler der Klimafinanzierung könnte der Green Climate Fund (GCF) sein. Länder mit relativ hohen Kosten der Emissionsvermeidung würden aus dessen Mitteln kompensiert werden. So hätten auch sie einen Anreiz, eine ambitionierte Klimapolitik zu betreiben. Die Länder, die die Gelder bereitstellen, profitieren ebenso, weil die ärmeren Staaten zum globalen Klimaschutz beitragen und damit die Kosten des Klimaschutzes senken.

Die meisten Staaten sind zwar bisher äußerst zurückhaltend bei der Einführung von CO2-Preisen. Die Weltbank sowie einige private Banken, institutionelle Investoren und Unternehmen verwenden dagegen bereits einen internen CO2-Preis. In ihrer Rolle als institutionelle Investoren könnten die Kirchen noch überzeugender die ethische Bedeutung der CO2-Bepreisung betonen. Pensionsfonds, ethische Investmentfonds, Entwicklungsbanken und die großen Rückversicherungsgesellschaften fordern die Einführung von Emissionshandelssystemen oder CO2-Steuern bereits immer lauter. Bisher ist die Stimme der Finanzmarktakteure nur für Experten wahrnehmbar; in den Finanzministerien wird sie gehört und sehr wohl verstanden. Es ist aber notwendig, dass auch die breite Öffentlichkeit die Forderung nach klimagerechten Preisen versteht und deren Einführung von den Politikern einfordert.

4. Steigende Hürden durch billige fossile Brennstoffe

Das Grundproblem der internationalen Klimapolitik ist das Überangebot an fossilen Energieträgern. Die Preise für Kohle, Öl und Gas verharren deshalb auf niedrigem Niveau und werden für absehbare Zeit dort bleiben. Für Schwellen- und Entwicklungsländer ist die Nutzung der vermeintlich billigen Kohle damit besonders attraktiv. So beträgt der Anteil der Kohle an der Primärenergie in China etwa 70 Prozent. Zwar hat sich der Zubau neuer Kohlekraftwerke in China zuletzt verlangsamt, dafür wollen andere Länder den Kohleausbau jedoch sogar noch beschleunigen. Indien hat beispielsweise angekündigt, die Nutzung seiner heimischen Kohle bis zum Jahr 2019 im Vergleich zu 2013 zu verdoppeln.

Auch Länder wie die Türkei, Indonesien Vietnam, Südafrika, Korea, Japan oder Bangladesch planen  neue Kohlekraftwerke. Weltweit befinden sich fast 1400 neue Kohlekraftwerke im Bau oder in Planung. Rechnet man die bereits im Betrieb befindlichen Kraftwerke hinzu und legt die Emissionen während einer durchschnittlichen Kraftwerks-Lebensdauer von 40 Jahren zugrunde, so belastet allein die Kohle die Atmosphäre bereits mit etwa 330 Gigatonnen CO2. Damit verbraucht sie schon fast die Hälfte des CO2-Budgets für die Temperaturobergrenze von zwei Grad Celsius.12

Daneben gewinnen andere, sogenannte nicht-konventionelle Vorkommen zunehmend an Bedeutung. Die Erschließung von Teersand-Lagerstätten hat Kanada zu einem wichtigen Exporteur von Öl werden lassen. Das Fracking-Verfahren – dabei wird Öl mit hohem Druck unter Zuhilfenahme spezieller Chemikalien aus dem Gestein gepresst – führte auch zu einem rapiden Anstieg der Ölförderung in den USA, der die Importabhängigkeit des Landes stark verringerte und zum Verfall des Weltmarktpreises für Öl beitrug. Durch den niedrigen Ölpreis verlieren Elektro- und Wasserstoffautos gegenüber Benzin- und Dieselmotoren ebenso an Wettbewerbsfähigkeit wie synthetische Kraftstoffe gegenüber Mineralöl.

Durch das Fracking ist aber nicht nur das Angebot von Öl, sondern auch das von Gas erhöht. In den USA wurde die Stromversorgung daher verstärkt auf Erdgas umgestellt. Weil der Gaspreis dort unter dem Preis von Kohle liegt, werden die Vereinigten Staaten vermutlich auch unter Präsident Donald Trump zunehmend aus der heimischen Kohleverstromung aussteigen – dadurch werden die heimischen Emissionen sinken. In globalem Maßstab werden sie trotz des vermehrten Gasangebotes jedoch weiter steigen, weil die USA nun vermehrt Kohle exportieren und der Gaspreis außerhalb der Vereinigten Staaten über dem Kohlepreis liegt.

Im Gegensatz zum „Club of Rome“, der 1972 das baldige Ende der fossilen Vorkommen prognostizierte, wissen wir es heute besser: Nicht die Knappheit von Kohle, Öl und Gas wird das 21. Jahrhundert prägen, sondern die begrenzte Kohlenstoff-Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre. Die politischen Entscheider können nicht mehr hoffen, dass der Handlungsdruck von den Märkten kommt. Sie müssen durch internationale Regeln und Vereinbarungen dafür sorgen, dass die fossilen Ressourcen im Boden bleiben und die Atmosphäre als das Gemeinschaftsgut der gesamten Menschheit geschützt wird. Laudato Si‘ sieht die Lösung der globalen Krise im Zusammenspiel von internationaler Kooperation, nationalstaatlicher Politik, kommunalem Engagement und der Kraft einer entstehenden bunten Zivilgesellschaft.

Die Enzyklika fordert die Schaffung einer „politischen Weltautorität“ (LS 175). Damit ist jedoch keine Weltregierung gemeint, sondern die Notwendigkeit internationaler Kooperation und Koordination von Nationalstaaten, um die Globalisierung zu gestalten, statt ihr ausgeliefert zu sein. Laudato si’ sieht die Bewegungen der Zivilgesellschaft als Hebel, um nationalstaatliche Politik unter Druck zu setzen. Es geht dem Papst dabei nicht nur um politischen Protest. Er betont, dass mündige Konsumenten und Investoren durch Boykott und Widerspruch auch auf Märkten Druck ausüben können und sollen (LS 206). Tugendethik und Gesellschaftsreform schließen einander nicht aus, sie bedingen einander. Der durch die Technik ermöglichte Machtzuwachs in der Moderne bedarf eines geschärften individuellen Gewissens und neuer Formen institutioneller Verantwortung.

5. Klimapolitik als Option für die Armen

Eine ambitionierte Klimapolitik wird vor allem den kommenden Generationen zugutekommen und damit auch den Menschen, die künftig in der südlichen Hemisphäre leben. Politiker stehen jedoch nicht nur in der Pflicht, kommenden Generationen ein gutes Leben zu ermöglichen, sondern müssen auch die Probleme von heute lösen, etwa den Kampf gegen Armut vorantreiben. Kann der Zielkonflikt zwischen langfristiger Zukunftsverantwortung und den drängenden Herausforderungen der Gegenwart entschärft werden?

In der Tat besteht zwischen Klimapolitik auf der einen Seite und Armutsbekämpfung auf der anderen nicht notwendigerweise ein Konflikt – im Gegenteil: Eine kluge Klimapolitik kann dabei helfen, heutige Probleme zu lösen. So könnten die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung dazu verwendet werden, gerade den Ärmsten einen Zugang zu grundlegenden Gütern zu ermöglichen. Eine solche CO2-Steuerreform kann von nationalen Regierungen durchgeführt werden, wenn sie sich international koordinieren.13

In vielen Ländern hat ein Großteil der Menschen noch immer keinen Zugang zu lebensnotwendiger Infrastruktur wie sauberem Wasser, Sanitärversorgung oder Elektrizität. Die Vereinten Nationen haben aus diesem Grund die Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) formuliert. Dazu gehören neben der Bekämpfung von Armut etwa die Schaffung von Grundlagen für eine ansteigende Volksgesundheit und der Zugang zu bezahlbarer, sauberer Energie. Schon durch die Abschaffung der direkten Subventionen für fossile Energien würde bereits in vielen Ländern so viel Geld frei, dass man damit dem Erreichen der SDGs ein gutes Stück näher kommen würde. So könnte bis 2030 in etwa 70 Ländern der universelle Zugang zu Wasser hergestellt werden, mehr als 60 Staaten könnten flächendeckende Sanitärversorgung sicherstellen und über 50 den Zugang zu Elektrizität.14

Mit entsprechenden CO2-Preisen – auf einem Niveau vereinbar mit dem Zwei-Grad-Ziel des Paris-Abkommens – könnten auch höhere Einnahmen erzielt werden. Mit diesem Geld könnte überall auf der Welt der Zugang zu Wasser, Sanitärversorgung oder Strom für alle Menschen gesichert werden. Allerdings würden gerade die Menschen in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara von einer CO2-Bepreisung kaum profitieren: Denn einerseits sind die Emissionen noch sehr gering, während andererseits der Ausbaubedarf bei der Infrastruktur besonders groß ist. Würden die Einnahmen aus CO2-Preisen aber international gerecht verteilt, würden auch diese Menschen davon profitieren.15 CO2-Bepreisung kann also zur Armutsbekämpfung eingesetzt werden und erfüllt damit eine zentrale Forderung des Papstes: Die gleichzeitige Bekämpfung von Klimawandel und Armut.

6. Das Anthropozän und die globalen Gemeinschaftsgüter

Wettbewerb und private Eigentumsrechte haben den Kapitalismus des 19. und 20. Jahrhunderts entfesselt und damit ein nie gekanntes Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum ermöglicht. Dieses Wachstum basierte auf einem „Lotteriegewinn“16: Der Entdeckung von Kohle, Öl und Gas und deren Nutzung durch innovative Unternehmen. Die ungehemmte Verbrennung der fossilen Energieträger untergräbt die Grundlagen unserer Zivilisation. Denn die Lagerstätten enthalten Kohlenstoff, den Pflanzen und Tiere der Atmosphäre über Jahrmillionen entzogen haben. Durch die Verfeuerung setzen wir diesen Kohlenstoff in nur wenigen Jahrzehnten in Form von CO2 wieder frei. Das lässt die globale Mitteltemperatur und die Klimaschäden in einem Ausmaß ansteigen, das für die bisherige Kulturgeschichte der Menschheit ohne historisches Vorbild ist. Zurecht haben die massiven Umweltveränderungen, die die Menschheit seit Beginn der Industriellen Revolution zu verantworten hat, in der Wissenschaft eine Diskussion über den Beginn eines neuen Erdzeitalters entfacht: Es wird als Anthropozän bezeichnet – die Epoche des Menschen in der Rolle einer geologischen Kraft, die die Funktionsweise des Erdsystems grundlegend verändert.

Die zivilisatorischen Errungenschaften werden im 21. Jahrhundert nur dann Bestand haben können, wenn die globalen Gemeinschaftsgüter wie Atmosphäre, Ozeane, Land und Wälder nicht mehr übernutzt werden. Dazu ist internationale Kooperation und Koordination notwendig. Es gehört zur Tragik des beginnenden 21. Jahrhunderts, dass das Überleben der Menschheit von einer gelingenden internationalen Kooperation abhängt. Dabei sind die multilateralen Institutionen gerade heute durch den wieder aufkeimenden Nationalismus nicht nur geschwächt, sondern existentiell bedroht.

Die Enzyklika Laudato Si‘ hat hier ein kraftvolles Zeichen gesetzt: Wie kaum ein Dokument der kirchlichen Sozialverkündigung hat sie die Bekämpfung der Armut, die Vermeidung gefährlichen Klimawandels und die Notwendigkeit von Kooperation nicht nur gefordert, sondern eine ungewöhnliche Resonanz auch außerhalb der katholischen Kirche ausgelöst. Damit ist sie zu einem Meilenstein der kirchlichen Soziallehre geworden, im besonderen Maße aber auch ein Fanal im Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter.

Kurzbeschreibung

Um die Atmosphäre vor einer Übernutzung zu schützen und so die globale Erwärmung zu begrenzen, bedarf es internationaler Kooperation. Grundlage dafür ist das Bewusstsein, dass es sich bei der Atmosphäre sowie Ozeanen und Wäldern als Kohlendioxid-Senken um globale Gemeinschaftsgüter handelt. Sie sollten daher als solche anerkannt werden – so fordert es auch der Papst in seiner Umweltenzyklika Laudato Si. Das wirksamste Instrument der Klimapolitik sind ausreichend hohe, auf internationaler Ebene abgestimmte CO2-Preise. Sie bewahren die Ärmsten nicht nur vor den Folgen des gefährlichen Klimawandels, sondern schaffen zugleich dringend benötigte Einnahmen für die Bekämpfung von Armut – etwa durch öffentliche Investitionen in die Infrastruktur.

Autor

Ottmar Edenhofer ist einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Ökonomie des Klimawandels. Er ist designierter Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sowie Gründungsdirektor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) und Professor an der Technischen Universität Berlin (TU Berlin). Von 2008 bis 2015 war er Ko-Vorsitzender der mit Klimaschutz befassten Arbeitsgruppe III des Weltklimarates IPCC.

Kontakt

Potsdam Institute for Climate Impact, Telegraphenberg A 31

PO Box 60 12 03, D-14412 Potsdam



Notes

  1. Die Fußnote im Wortlaut: “In the social sciences this [das Klimaproblem] is referred to as a ‘global commons problem‘. As this expression is used in the social sciences, it has no specific implications for legal arrangements or for particular criteria regarding effort-sharing.” Siehe IPCC: Summary for Policymakers. In: Edenhofer, O. et al.: Climate Change 2014: Mitigation of Climate Change. Contribution of Working Group III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge/New York 2014, 5.
  2. Die englische Version der Enzyklika ist hier begrifflich präzise und spricht von „common good“; in der deutschen Übersetzung heißt es etwas vager „Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen für alle“ (LS, 23).
  3. Edenhofer, O., Flachsland, C., Jakob, M., Hilaire, J.: Den Klimawandel stoppen. Es gibt nicht zu wenig, sondern zu viel fossile Ressourcen – sie müssen in der Erde bleiben. In: Le Monde diplomatique: Atlas der Globalisierung – Weniger wird mehr. Berlin 2015, 90-93.
  4. Siehe Edenhofer, O., Jakob, M.: Klimapolitik. Ziele, Konflikte, Lösungen. München 2017, 44, 72f; Jakob, M., Edenhofer, O., Kornek, U., Lenzi, D., Minx, J. C.: Governing the Commons to Promote Global Justice – Climate Change Mitigation and Rent Taxation (in Vorbereitung).
  5. Siehe hierzu und zum folgenden Abschnitt über internationale Kooperation: Edenhofer, O., Flachsland, C., Lessmann, K.: Wem gehört die Atmosphäre? Nach dem Klimagipfel in Cancún. Stimmen der Zeit 2/2011, 75-88; sowie ausführlicher Edenhofer, O., Flachsland, C., Jakob, M., Lessmann, K.: The Atmosphere as a Global Commons – Challenges for International Cooperation and Governance. In: Semmler, W., Bernard, L. (Hg.): The Handbook on the Macroeconomics of Climate Change. Oxford 2015, 260-296.
  6. Die grundsätzliche Position der katholischen Soziallehre zu diesen Fragen findet sich formuliert in: Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden (Hg.): Kompendium der Soziallehre der Kirche. Freiburg/Basel/Wien 2006, 137-146, 325-347.
  7. Stiglitz, J. E. et al.: Report of the High-Level Commission on Carbon Prices, 2017.
  8. Edenhofer, O.: King Coal and the queen of subsidies. Science, 349(6254), 1286-1287 (2015).
  9. Edenhofer, O., Ockenfels, A.: Ausweg aus der Klima-Sackgasse. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.10.2015; Edenhofer, O., Ockenfels, A.: Climate Policy at an Impasse. In: Cramton, P., MacKay, D., Ockenfels, A., Stoft, S. (Hg.), Global Carbon Pricing. We Will if You Will. Cambridge 2017, 149-164.
  10. Edenhofer, O., Knopf, B., Bak, C., Bhattacharya, A.: Aligning climate policy with finance ministers’ G20 agenda. Nature Climate Change 7, Commentary, 463-465 (2017).
  11. Edenhofer, O., Flachsland, C., Kornek, C.: Koordinierte CO2-Preise: Ein Vorschlag zur Weiterentwicklung des Pariser Abkommens. In: Sommer, J., Müller, M. (Hg.): Unter 2 Grad? Stuttgart 2016, 69-78.
  12. Edenhofer, O., Steckel, J. C., Jakob, M., Bertram, C.: Reports of coal’s terminal decline may be exaggerated. Environmental Research Letters 13 (2018), No. 2, 024019.
  13. Zu den Herausforderungen und Möglichkeiten einer weltweiten CO2-Bepreisung siehe Jakob, M. et al. (Anm. 4); Edenhofer, O., Jakob, M., Creutzig, F., Flachsland, C., Fuss, S., Kowarsch, M., Lessmann, K., Mattauch, L., Siegmeier, J., Steckel, J.: Closing the emission price gap. Global Environmental Change 31, 132-143 (2015).
  14. Jakob, M., Chen, C., Fuss, S., Marxen, A., Edenhofer, O.: Development Incentives for Fossil Fuel Subsidy Reform. Nature Climate Change 5 (8), 709-712 (2015).
  15. Jakob, M., Chen, C., Fuss, S., Marxen, A., Rao, N. D., Edenhofer, O.: Carbon Pricing Revenues Could Close Infrastructure Access Gaps. World Development 84, 254-265 (2016).
  16. Sombart, W.: Der moderne Kapitalismus. Historisch-systematische Darstellung des gesamteuropäischen Wirtschaftslebens von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. Bd. III: Das Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochkapitalismus. Erster Halbband. München/Leipzig 1928.

Ottmar Edenhofer – « Der Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter »

Ottmar Edenhofer

« Der Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter »


Concilium 2018-5. Ökologie und Theologie der Natur
Concilium 2018-5. Ecology and Theology
Concilium 2018-5. Ecología y teología de la naturaleza
Concilium 2018-5. Écologie et théologie de la nature
Concilium 2018-5. Ecologia e teologia della natura
Concilium 2018-5.

Linda Hogan, João Vila-Chã, Agbonkhianmeghe Orobator

„Die Atmosphäre ist ein globales Gemeinschaftsgut der Menschheit“, heißt es lapidar in der päpstlichen Umweltenzyklika Laudato Si’. Diese Aussage enthält jedoch eine gewaltige politische Sprengkraft. Denn die rechtliche Anerkennung der Atmosphäre und des Klimas als globales Gemeinschaftsgut hat potentiell völkerrechtliche Konsequenzen: Im Falle seiner Gefährdung könnte daraus eine Schutzverpflichtung abgeleitet werden. Einige Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention befürchten offenbar genau dies. Jedenfalls haben sie es abgelehnt, das Klimaproblem im Fünften Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC als „Global Commons“-Problem anzuerkennen. In der entsprechenden Fußnote heißt es explizit, dass der Begriff als Charakterisierung des Klimaproblems keine Implikationen für völkerrechtliche Abkommen oder internationale Lastenteilung zum Klimaschutz habe.1 Der Papst hat mit Laudato Si’ dagegen den Mut, den Status der Atmosphäre als globales Gemeinschaftsgut in das kollektive Bewusstsein der Menschheit zu heben.

Das Revolutionäre daran ist die Forderung, die globalen Gemeinschafsgüter durch eine entsprechende Ordnungs- und Strukturpolitik zu schützen (Laudato si’ 174).2 Damit wird zum ersten Mal in der Geschichte der kirchlichen Soziallehre das Prinzip der universalen Widmung der Erdengüter auch auf die globalen Kohlendioxid-Senken Atmosphäre, Ozeane und Wälder angewandt. Um die Ärmsten zu schützen und den gefährlichen Klimawandel zu vermeiden, müssen diese Senken vor einer Übernutzung bewahrt werden.

Aus dem jüngsten Bericht des Weltklimarates lässt sich ableiten, dass die Einhaltung der Zwei-Grad-Obergrenze den verbleibenden weltweiten CO2-Ausstoß auf etwa 700 bis 800 Gigatonnen (Gt) begrenzt. Bei dem derzeitigen Emissionsniveau von etwa 40 Gt jährlich bleiben also noch höchstens 20 Jahre – dann ist das Budget aufgebraucht. Knapp werden die fossilen Brennstoffe bis dahin nicht, in den Vorkommen im Boden sind noch geschätzte 15.000 Gt CO2 gebunden. Der überwiegende Teil davon darf also nicht mehr verbrannt und das entstehende Kohlendioxid in der Atmosphäre abgelagert werden. Gegenüber einem „Weiter-so“-Szenario ohne globale Klimapolitik müssen zur Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels weltweit mindestens etwa 70 Prozent der Kohle, 30 Prozent des Gases und 30 Prozent des Öls im Boden bleiben.3 Wenn aber ein Großteil der fossilen Ressourcen im Boden bleiben muss, werden die Vermögen ihrer Besitzer entwertet.4 Manch einer mag das als einen Eingriff in nationalstaatliche und private Eigentumsrechte interpretieren.

Laudato Si‘ zufolge ist dieser Eingriff in die Eigentumsrechte der Besitzer von Kohle, Öl und Gas gerechtfertigt, wenn dadurch die Gefahren eines gefährlichen Klimawandels abgewendet werden.5 Darin zeigt sich der Beitrag der Enzyklika zur Weiterentwicklung der katholischen Eigentumslehre. Sie positioniert sich im Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter in einer für die kirchliche Sozialverkündigung bisher ungewohnten Eindeutigkeit. Die Soziallehre betont zwar, dass das Prinzip der „allgemeinen Bestimmung der Erdengüter“ dem Recht auf Privateigentum übergeordnet ist (LS 93).6 Laudato Si’ präzisiert dieses Prinzip aber insofern, als nun auch die Übernutzung der globalen Kohlenstoff-Senken als Rechtfertigung anerkannt wird, das Recht auf Privateigentum einzuschränken (LS 23-24 und insb. 93-95). Damit wird die gegenwärtige Nutzung der Atmosphäre nach dem Recht des Stärkeren grundsätzlich in Frage gestellt.

1. Die Notwendigkeit internationaler Kooperation

Die Frage, wie die Beschränkung des Zugangs zur Atmosphäre institutionell ausgestaltet werden könnte, lässt die Enzyklika offen. Sie weist jedoch zu Recht auf den ökonomischen Grundsatz hin, dass in Marktpreisen sämtliche soziale Kosten angemessen zum Ausdruck kommen müssen (LS 195). Gerade bei der Nutzung von Kohle, Öl und Gas werden diese Kosten nicht eingerechnet. Da es bislang keine Weltregierung gibt, die hier steuernd eingreifen könnte, scheinen zeitraubende internationale Verhandlungen zwischen souveränen Nationalstaaten die einzige Lösung zu sein.

In der Politik ist noch immer die Hoffnung verbreitet, dass man sich die Verhandlungen dank des technischen Fortschritts bei den erneuerbaren Energien sparen könne. Durch den Fortschritt würden deren Kosten so weit sinken, dass es sich für niemanden mehr lohnt, Kohle aus dem Boden zu holen. In der Tat sind die Stromgestehungskosten von Windkraft unter optimalen Bedingungen schon heute niedriger als die von Kohle. Bei der Solarenergie sieht es ähnlich aus. Neue Entwicklungen bei den Speichertechnologien und der Ausbau integrierter Stromnetze werden künftig sogar die Fluktuationen bei Wind und Sonne auffangen. Dennoch: Den technischen Fortschritt für den alleinigen Heilsbringer des Weltklimas zu halten, ist gefährlich.

Die Kostensenkungen bei den CO2-freien Technologien führen zwar zu einer sinkenden Nachfrage nach fossilen Energieträgern. Allerdings fallen infolge des Nachfragerückgangs auch die Preise für Kohle, Öl und Gas. Dadurch wird insgesamt wieder mehr fossile Energie verbraucht. Das gilt insbesondere in Ländern, in denen es keine stringenten Klimaziele gibt. Der technische Fortschritt bei den Erneuerbaren bedingt also nicht eins-zu-eins den Rückgang fossiler Energien. Die Förderung CO2-freier Technologien wird alleine nicht zum Ziel führen.

Die Lösung des Dilemmas liegt darin, den schädlichen Emissionen einen Preis zu geben. Das bedeutet, dass die Verursacher der Treibhausgase dafür zahlen müssen, wenn sie ihre Emissionen in der Atmosphäre ablagern. Ein CO2-Preis begünstigt nicht nur die Erneuerbaren, er verteuert zugleich die Nutzung der fossilen Energieträger. Dadurch verschwindet der Anreiz, vermehrt Kohle, Öl und Gas zu nutzen. Wenn die Emissionen also nachhaltig sinken sollen, muss die Politik den Preis für CO2 erhöhen. Dies würde auch dazu beitragen, die globale Wirtschaftsordnung gerechter zu gestalten, wie es Laudato Si’ fordert. Für den Papst ist eine Wirtschaftsordnung nur dann ethisch gerecht, wenn alle Kosten von ihren Verursachern getragen und nicht auf Dritte abgewälzt werden (LS 195).

Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, sind CO2-Preise notwendig, die im Laufe der Zeit ansteigen. Die Weltbank hat das entsprechende Preisniveau berechnet: Bis 2020 müssten die Preise pro Tonne CO2 zwischen 40 und 80 US-Dollar liegen. Im Jahr 2030 sollten sie ein Niveau zwischen 50 und 100 US-Dollar erreicht haben.7

Doch bislang wird die Nutzung fossiler Energieträger gefördert statt bestraft. Legt man die durch Umwelt- und Gesundheitsschäden entstandenen Kosten zugrunde, wird die Tonne CO2 im weltweiten Schnitt mit 150 US-Dollar pro Jahr subventioniert. Die Herausforderung der nächsten Jahre ist, dass aus negativen CO2-Preisen (Subventionen) positive Preise werden.8

2. Wie Kooperation gelingen kann

Der Ruf nach CO2-Preisen ist sicherlich leicht – die politische Umsetzung dagegen schwierig. Dabei gibt es nicht nur innenpolitische Hindernisse wie zum Beispiel steigende Strompreise. Die global vernetzten Märkte verlangen, dass bei der Klimapolitik alle Staaten, oder zumindest ein Großteil, an einem Strang ziehen. Wenn nur ein einzelner Staat CO2-Preise einführt, verliert er an Wettbewerbsfähigkeit. Die Auswirkungen sind dabei umso größer, je stärker seine Güter-, Kapital- und Arbeitsmärkte in die Weltwirtschaft integriert sind. Darum ist internationale Kooperation zwingend notwendig.

Das Abkommen von Paris ist in dieser Hinsicht ein Fortschritt. Es beruht jedoch auf freiwilligen Selbstverpflichtungen. Stellen die Länder fest, dass ihre eigenen Anstrengungen nicht durch entsprechende Maßnahmen in anderen Ländern erwidert werden, ist die Glaubwürdigkeit und damit die Kooperation dahin. Kein Staat wird seine Verpflichtungen dann einhalten. 9

Ein möglicher Weg zu erfolgreicher Kooperation wäre die Verpflichtung einzelner Länder, einen CO2-Preis auf nationaler Ebene einzuführen. Das müsste jedoch an die Bedingung geknüpft sein, dass andere Staaten ihnen darin folgen und ebenfalls entsprechend hohe Preise einführen. Mit dieser Strategie könnten Befürchtungen über Wettbewerbsnachteile durch CO2-Bepreisung entkräftet werden. Sollten einige Staaten aus dem Abkommen aussteigen, würden sie dadurch bestraft, dass andere Länder ebenfalls ihre Anstrengungen zu Emissionsminderungen senken. Das führt langfristig zu erhöhten Klimaschäden und damit zu höheren Kosten.

Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass viele Staaten und Regionen bereits eine CO2-Steuer oder einen Emissionshandel eingeführt haben.10 Knapp 15 Prozent der Emissionen weltweit unterliegen der Regulierung durch CO2-Preise. In den meisten Emissionshandelssystemen, etwa im europäischen Emissionshandel (EU ETS), sind sie allerdings viel zu niedrig. Es gibt aber auch positive Ausnahmen wie Schweden und die kanadische Provinz British Columbia, die eine CO2-Steuer von umgerechnet etwa 120 Euro bzw. 30 US-Dollar pro Tonne eingeführt haben.

3. Gerechtigkeit und Klimafinanzierung

Die Leistungsfähigkeit der Länder ist ungleich verteilt. Zu einer weltweiten Koordination und Anhebung der CO2-Preise wird es daher nur kommen, wenn es einen Lastenausgleich zwischen Arm und Reich gibt. Transferleistungen an ärmere Länder sollten allerdings mit der Bedingung verknüpft sein, dass diese einen Mindestpreis für Emissionen akzeptieren.11 Ein Stützpfeiler der Klimafinanzierung könnte der Green Climate Fund (GCF) sein. Länder mit relativ hohen Kosten der Emissionsvermeidung würden aus dessen Mitteln kompensiert werden. So hätten auch sie einen Anreiz, eine ambitionierte Klimapolitik zu betreiben. Die Länder, die die Gelder bereitstellen, profitieren ebenso, weil die ärmeren Staaten zum globalen Klimaschutz beitragen und damit die Kosten des Klimaschutzes senken.

Die meisten Staaten sind zwar bisher äußerst zurückhaltend bei der Einführung von CO2-Preisen. Die Weltbank sowie einige private Banken, institutionelle Investoren und Unternehmen verwenden dagegen bereits einen internen CO2-Preis. In ihrer Rolle als institutionelle Investoren könnten die Kirchen noch überzeugender die ethische Bedeutung der CO2-Bepreisung betonen. Pensionsfonds, ethische Investmentfonds, Entwicklungsbanken und die großen Rückversicherungsgesellschaften fordern die Einführung von Emissionshandelssystemen oder CO2-Steuern bereits immer lauter. Bisher ist die Stimme der Finanzmarktakteure nur für Experten wahrnehmbar; in den Finanzministerien wird sie gehört und sehr wohl verstanden. Es ist aber notwendig, dass auch die breite Öffentlichkeit die Forderung nach klimagerechten Preisen versteht und deren Einführung von den Politikern einfordert.

4. Steigende Hürden durch billige fossile Brennstoffe

Das Grundproblem der internationalen Klimapolitik ist das Überangebot an fossilen Energieträgern. Die Preise für Kohle, Öl und Gas verharren deshalb auf niedrigem Niveau und werden für absehbare Zeit dort bleiben. Für Schwellen- und Entwicklungsländer ist die Nutzung der vermeintlich billigen Kohle damit besonders attraktiv. So beträgt der Anteil der Kohle an der Primärenergie in China etwa 70 Prozent. Zwar hat sich der Zubau neuer Kohlekraftwerke in China zuletzt verlangsamt, dafür wollen andere Länder den Kohleausbau jedoch sogar noch beschleunigen. Indien hat beispielsweise angekündigt, die Nutzung seiner heimischen Kohle bis zum Jahr 2019 im Vergleich zu 2013 zu verdoppeln.

Auch Länder wie die Türkei, Indonesien Vietnam, Südafrika, Korea, Japan oder Bangladesch planen  neue Kohlekraftwerke. Weltweit befinden sich fast 1400 neue Kohlekraftwerke im Bau oder in Planung. Rechnet man die bereits im Betrieb befindlichen Kraftwerke hinzu und legt die Emissionen während einer durchschnittlichen Kraftwerks-Lebensdauer von 40 Jahren zugrunde, so belastet allein die Kohle die Atmosphäre bereits mit etwa 330 Gigatonnen CO2. Damit verbraucht sie schon fast die Hälfte des CO2-Budgets für die Temperaturobergrenze von zwei Grad Celsius.12

Daneben gewinnen andere, sogenannte nicht-konventionelle Vorkommen zunehmend an Bedeutung. Die Erschließung von Teersand-Lagerstätten hat Kanada zu einem wichtigen Exporteur von Öl werden lassen. Das Fracking-Verfahren – dabei wird Öl mit hohem Druck unter Zuhilfenahme spezieller Chemikalien aus dem Gestein gepresst – führte auch zu einem rapiden Anstieg der Ölförderung in den USA, der die Importabhängigkeit des Landes stark verringerte und zum Verfall des Weltmarktpreises für Öl beitrug. Durch den niedrigen Ölpreis verlieren Elektro- und Wasserstoffautos gegenüber Benzin- und Dieselmotoren ebenso an Wettbewerbsfähigkeit wie synthetische Kraftstoffe gegenüber Mineralöl.

Durch das Fracking ist aber nicht nur das Angebot von Öl, sondern auch das von Gas erhöht. In den USA wurde die Stromversorgung daher verstärkt auf Erdgas umgestellt. Weil der Gaspreis dort unter dem Preis von Kohle liegt, werden die Vereinigten Staaten vermutlich auch unter Präsident Donald Trump zunehmend aus der heimischen Kohleverstromung aussteigen – dadurch werden die heimischen Emissionen sinken. In globalem Maßstab werden sie trotz des vermehrten Gasangebotes jedoch weiter steigen, weil die USA nun vermehrt Kohle exportieren und der Gaspreis außerhalb der Vereinigten Staaten über dem Kohlepreis liegt.

Im Gegensatz zum „Club of Rome“, der 1972 das baldige Ende der fossilen Vorkommen prognostizierte, wissen wir es heute besser: Nicht die Knappheit von Kohle, Öl und Gas wird das 21. Jahrhundert prägen, sondern die begrenzte Kohlenstoff-Aufnahmefähigkeit der Atmosphäre. Die politischen Entscheider können nicht mehr hoffen, dass der Handlungsdruck von den Märkten kommt. Sie müssen durch internationale Regeln und Vereinbarungen dafür sorgen, dass die fossilen Ressourcen im Boden bleiben und die Atmosphäre als das Gemeinschaftsgut der gesamten Menschheit geschützt wird. Laudato Si‘ sieht die Lösung der globalen Krise im Zusammenspiel von internationaler Kooperation, nationalstaatlicher Politik, kommunalem Engagement und der Kraft einer entstehenden bunten Zivilgesellschaft.

Die Enzyklika fordert die Schaffung einer „politischen Weltautorität“ (LS 175). Damit ist jedoch keine Weltregierung gemeint, sondern die Notwendigkeit internationaler Kooperation und Koordination von Nationalstaaten, um die Globalisierung zu gestalten, statt ihr ausgeliefert zu sein. Laudato si’ sieht die Bewegungen der Zivilgesellschaft als Hebel, um nationalstaatliche Politik unter Druck zu setzen. Es geht dem Papst dabei nicht nur um politischen Protest. Er betont, dass mündige Konsumenten und Investoren durch Boykott und Widerspruch auch auf Märkten Druck ausüben können und sollen (LS 206). Tugendethik und Gesellschaftsreform schließen einander nicht aus, sie bedingen einander. Der durch die Technik ermöglichte Machtzuwachs in der Moderne bedarf eines geschärften individuellen Gewissens und neuer Formen institutioneller Verantwortung.

5. Klimapolitik als Option für die Armen

Eine ambitionierte Klimapolitik wird vor allem den kommenden Generationen zugutekommen und damit auch den Menschen, die künftig in der südlichen Hemisphäre leben. Politiker stehen jedoch nicht nur in der Pflicht, kommenden Generationen ein gutes Leben zu ermöglichen, sondern müssen auch die Probleme von heute lösen, etwa den Kampf gegen Armut vorantreiben. Kann der Zielkonflikt zwischen langfristiger Zukunftsverantwortung und den drängenden Herausforderungen der Gegenwart entschärft werden?

In der Tat besteht zwischen Klimapolitik auf der einen Seite und Armutsbekämpfung auf der anderen nicht notwendigerweise ein Konflikt – im Gegenteil: Eine kluge Klimapolitik kann dabei helfen, heutige Probleme zu lösen. So könnten die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung dazu verwendet werden, gerade den Ärmsten einen Zugang zu grundlegenden Gütern zu ermöglichen. Eine solche CO2-Steuerreform kann von nationalen Regierungen durchgeführt werden, wenn sie sich international koordinieren.13

In vielen Ländern hat ein Großteil der Menschen noch immer keinen Zugang zu lebensnotwendiger Infrastruktur wie sauberem Wasser, Sanitärversorgung oder Elektrizität. Die Vereinten Nationen haben aus diesem Grund die Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) formuliert. Dazu gehören neben der Bekämpfung von Armut etwa die Schaffung von Grundlagen für eine ansteigende Volksgesundheit und der Zugang zu bezahlbarer, sauberer Energie. Schon durch die Abschaffung der direkten Subventionen für fossile Energien würde bereits in vielen Ländern so viel Geld frei, dass man damit dem Erreichen der SDGs ein gutes Stück näher kommen würde. So könnte bis 2030 in etwa 70 Ländern der universelle Zugang zu Wasser hergestellt werden, mehr als 60 Staaten könnten flächendeckende Sanitärversorgung sicherstellen und über 50 den Zugang zu Elektrizität.14

Mit entsprechenden CO2-Preisen – auf einem Niveau vereinbar mit dem Zwei-Grad-Ziel des Paris-Abkommens – könnten auch höhere Einnahmen erzielt werden. Mit diesem Geld könnte überall auf der Welt der Zugang zu Wasser, Sanitärversorgung oder Strom für alle Menschen gesichert werden. Allerdings würden gerade die Menschen in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara von einer CO2-Bepreisung kaum profitieren: Denn einerseits sind die Emissionen noch sehr gering, während andererseits der Ausbaubedarf bei der Infrastruktur besonders groß ist. Würden die Einnahmen aus CO2-Preisen aber international gerecht verteilt, würden auch diese Menschen davon profitieren.15 CO2-Bepreisung kann also zur Armutsbekämpfung eingesetzt werden und erfüllt damit eine zentrale Forderung des Papstes: Die gleichzeitige Bekämpfung von Klimawandel und Armut.

6. Das Anthropozän und die globalen Gemeinschaftsgüter

Wettbewerb und private Eigentumsrechte haben den Kapitalismus des 19. und 20. Jahrhunderts entfesselt und damit ein nie gekanntes Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum ermöglicht. Dieses Wachstum basierte auf einem „Lotteriegewinn“16: Der Entdeckung von Kohle, Öl und Gas und deren Nutzung durch innovative Unternehmen. Die ungehemmte Verbrennung der fossilen Energieträger untergräbt die Grundlagen unserer Zivilisation. Denn die Lagerstätten enthalten Kohlenstoff, den Pflanzen und Tiere der Atmosphäre über Jahrmillionen entzogen haben. Durch die Verfeuerung setzen wir diesen Kohlenstoff in nur wenigen Jahrzehnten in Form von CO2 wieder frei. Das lässt die globale Mitteltemperatur und die Klimaschäden in einem Ausmaß ansteigen, das für die bisherige Kulturgeschichte der Menschheit ohne historisches Vorbild ist. Zurecht haben die massiven Umweltveränderungen, die die Menschheit seit Beginn der Industriellen Revolution zu verantworten hat, in der Wissenschaft eine Diskussion über den Beginn eines neuen Erdzeitalters entfacht: Es wird als Anthropozän bezeichnet – die Epoche des Menschen in der Rolle einer geologischen Kraft, die die Funktionsweise des Erdsystems grundlegend verändert.

Die zivilisatorischen Errungenschaften werden im 21. Jahrhundert nur dann Bestand haben können, wenn die globalen Gemeinschaftsgüter wie Atmosphäre, Ozeane, Land und Wälder nicht mehr übernutzt werden. Dazu ist internationale Kooperation und Koordination notwendig. Es gehört zur Tragik des beginnenden 21. Jahrhunderts, dass das Überleben der Menschheit von einer gelingenden internationalen Kooperation abhängt. Dabei sind die multilateralen Institutionen gerade heute durch den wieder aufkeimenden Nationalismus nicht nur geschwächt, sondern existentiell bedroht.

Die Enzyklika Laudato Si‘ hat hier ein kraftvolles Zeichen gesetzt: Wie kaum ein Dokument der kirchlichen Sozialverkündigung hat sie die Bekämpfung der Armut, die Vermeidung gefährlichen Klimawandels und die Notwendigkeit von Kooperation nicht nur gefordert, sondern eine ungewöhnliche Resonanz auch außerhalb der katholischen Kirche ausgelöst. Damit ist sie zu einem Meilenstein der kirchlichen Soziallehre geworden, im besonderen Maße aber auch ein Fanal im Kampf für die globalen Gemeinschaftsgüter.

Résumé

Um die Atmosphäre vor einer Übernutzung zu schützen und so die globale Erwärmung zu begrenzen, bedarf es internationaler Kooperation. Grundlage dafür ist das Bewusstsein, dass es sich bei der Atmosphäre sowie Ozeanen und Wäldern als Kohlendioxid-Senken um globale Gemeinschaftsgüter handelt. Sie sollten daher als solche anerkannt werden – so fordert es auch der Papst in seiner Umweltenzyklika Laudato Si. Das wirksamste Instrument der Klimapolitik sind ausreichend hohe, auf internationaler Ebene abgestimmte CO2-Preise. Sie bewahren die Ärmsten nicht nur vor den Folgen des gefährlichen Klimawandels, sondern schaffen zugleich dringend benötigte Einnahmen für die Bekämpfung von Armut – etwa durch öffentliche Investitionen in die Infrastruktur.

Auteur

Ottmar Edenhofer ist einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Ökonomie des Klimawandels. Er ist designierter Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sowie Gründungsdirektor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) und Professor an der Technischen Universität Berlin (TU Berlin). Von 2008 bis 2015 war er Ko-Vorsitzender der mit Klimaschutz befassten Arbeitsgruppe III des Weltklimarates IPCC.

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PO Box 60 12 03, D-14412 Potsdam



Notes

  1. Die Fußnote im Wortlaut: “In the social sciences this [das Klimaproblem] is referred to as a ‘global commons problem‘. As this expression is used in the social sciences, it has no specific implications for legal arrangements or for particular criteria regarding effort-sharing.” Siehe IPCC: Summary for Policymakers. In: Edenhofer, O. et al.: Climate Change 2014: Mitigation of Climate Change. Contribution of Working Group III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge/New York 2014, 5.
  2. Die englische Version der Enzyklika ist hier begrifflich präzise und spricht von „common good“; in der deutschen Übersetzung heißt es etwas vager „Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen für alle“ (LS, 23).
  3. Edenhofer, O., Flachsland, C., Jakob, M., Hilaire, J.: Den Klimawandel stoppen. Es gibt nicht zu wenig, sondern zu viel fossile Ressourcen – sie müssen in der Erde bleiben. In: Le Monde diplomatique: Atlas der Globalisierung – Weniger wird mehr. Berlin 2015, 90-93.
  4. Siehe Edenhofer, O., Jakob, M.: Klimapolitik. Ziele, Konflikte, Lösungen. München 2017, 44, 72f; Jakob, M., Edenhofer, O., Kornek, U., Lenzi, D., Minx, J. C.: Governing the Commons to Promote Global Justice – Climate Change Mitigation and Rent Taxation (in Vorbereitung).
  5. Siehe hierzu und zum folgenden Abschnitt über internationale Kooperation: Edenhofer, O., Flachsland, C., Lessmann, K.: Wem gehört die Atmosphäre? Nach dem Klimagipfel in Cancún. Stimmen der Zeit 2/2011, 75-88; sowie ausführlicher Edenhofer, O., Flachsland, C., Jakob, M., Lessmann, K.: The Atmosphere as a Global Commons – Challenges for International Cooperation and Governance. In: Semmler, W., Bernard, L. (Hg.): The Handbook on the Macroeconomics of Climate Change. Oxford 2015, 260-296.
  6. Die grundsätzliche Position der katholischen Soziallehre zu diesen Fragen findet sich formuliert in: Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden (Hg.): Kompendium der Soziallehre der Kirche. Freiburg/Basel/Wien 2006, 137-146, 325-347.
  7. Stiglitz, J. E. et al.: Report of the High-Level Commission on Carbon Prices, 2017.
  8. Edenhofer, O.: King Coal and the queen of subsidies. Science, 349(6254), 1286-1287 (2015).
  9. Edenhofer, O., Ockenfels, A.: Ausweg aus der Klima-Sackgasse. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.10.2015; Edenhofer, O., Ockenfels, A.: Climate Policy at an Impasse. In: Cramton, P., MacKay, D., Ockenfels, A., Stoft, S. (Hg.), Global Carbon Pricing. We Will if You Will. Cambridge 2017, 149-164.
  10. Edenhofer, O., Knopf, B., Bak, C., Bhattacharya, A.: Aligning climate policy with finance ministers’ G20 agenda. Nature Climate Change 7, Commentary, 463-465 (2017).
  11. Edenhofer, O., Flachsland, C., Kornek, C.: Koordinierte CO2-Preise: Ein Vorschlag zur Weiterentwicklung des Pariser Abkommens. In: Sommer, J., Müller, M. (Hg.): Unter 2 Grad? Stuttgart 2016, 69-78.
  12. Edenhofer, O., Steckel, J. C., Jakob, M., Bertram, C.: Reports of coal’s terminal decline may be exaggerated. Environmental Research Letters 13 (2018), No. 2, 024019.
  13. Zu den Herausforderungen und Möglichkeiten einer weltweiten CO2-Bepreisung siehe Jakob, M. et al. (Anm. 4); Edenhofer, O., Jakob, M., Creutzig, F., Flachsland, C., Fuss, S., Kowarsch, M., Lessmann, K., Mattauch, L., Siegmeier, J., Steckel, J.: Closing the emission price gap. Global Environmental Change 31, 132-143 (2015).
  14. Jakob, M., Chen, C., Fuss, S., Marxen, A., Edenhofer, O.: Development Incentives for Fossil Fuel Subsidy Reform. Nature Climate Change 5 (8), 709-712 (2015).
  15. Jakob, M., Chen, C., Fuss, S., Marxen, A., Rao, N. D., Edenhofer, O.: Carbon Pricing Revenues Could Close Infrastructure Access Gaps. World Development 84, 254-265 (2016).
  16. Sombart, W.: Der moderne Kapitalismus. Historisch-systematische Darstellung des gesamteuropäischen Wirtschaftslebens von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. Bd. III: Das Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochkapitalismus. Erster Halbband. München/Leipzig 1928.